Iran hilft in Katar und Syrien aus und vergrößert seinen Einfluss. Riad und Washington sind verärgert.
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Teheran/Doha/Wien. Es war eine Ankündigung, hinter der geopolitisch sehr viel steckt und die Irans Einfluss in der Region steigern dürfte: "Wir werden jeden Tag 100 Tonnen an Früchten und Gemüse nach Katar liefern", vermeldete die iranische Führung am Wochenende. Außerdem sollen in der iranischen Hafenstadt Dajjer, die gegenüber von Katar am Persischen Golf liegt, ab dem heutigen Dienstag drei Schiffe mit 350 Tonnen Lebensmitteln auslaufen.
Die aktuellen Hilfslieferungen sind die jüngste Folge der Katar-Krise, die dadurch ausgelöst wurde, dass Saudi-Arabien, Ägypten, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate mit Rückendeckung der USA die Beziehungen zu Doha abgebrochen haben. Sie werfen dem kleinen Emirat die Unterstützung von Terroristen und seine politische Nähe zum Iran vor. Doha und Teheran rücken nach den jüngsten Geschehnissen nun noch einmal näher zusammen: So hat Teheran ebenfalls versprochen, bei Bedarf im Bankensektor des 2,2 Millionen Einwohner zählenden Golfemirats auszuhelfen. Schon jetzt müssen alle Geldhäuser in Katar ihre Bargeldreserven koordinieren, um liquide zu bleiben. Und seit einigen Tagen sind Flugzeuge der Qatar Airways gezwungen, für ihre Europa-Flüge den iranischen und türkischen statt des saudischen Luftraums zu benutzen.
Mit der neuen zusätzlichen Achse zu Doha kann der schiitische Iran seine regionale Bedeutung aufwerten. Denn sehr zum Ärger des sunnitischen Erzrivalen Saudi-Arabien ist Teheran mittlerweile im Jemen, in Katar und in Syrien aktiv und lanciert zusätzlich geschickt seinen Einfluss, um den schiitischen Halbmond vom Libanon über den Irak bis nach Bahrain zu stärken.
Parallel zur Hilfe für Doha spielt Teheran in dieser Woche etwa auch erneut Krisenfeuerwehr für Syriens umstrittenen Machthaber Baschar al-Assad. Bereits am morgigen Mittwoch gibt es neue Hilfslieferungen nach Damaskus. Konkret bedeutet das noch mehr Geld, Waffen, Personal und technisches Know-how für den syrischen "Bruderstaat". Assad wäre nach Meinung der Experten im seit 2011 andauernden Bürgerkrieg, bei dem mehr als 320.000 Menschen ums Leben kamen, schon längst nicht mehr an der Macht, wenn Teheran und später auch Russland ihn nicht unterstützen würden.
Katar gibt sich kämpferisch
All diese iranischen Aktionen werden den Konflikt vermutlich noch weiter aufheizen. Denn die Saudis zeigen sich hochgradig verärgert und haben Doha schon vor zu engen Kontakten mit Teheran gewarnt. Vielmehr sei eine "vernünftige arabische Politik" angebracht.
Von Teheran gestärkt, gab sich Katars Finanzminister Ali Sherif al-Emadi in seiner Replik allerdings kämpferisch. "Unsere Reserven und Investmentfonds entsprechen mehr als 250 Prozent des Bruttoinlandsproduktes", sagte er. Auch einen Seitenhieb auf die Saudis konnte er sich nicht verkneifen: "Wenn wir einen Dollar verlieren, dann werden sie auch einen Dollar verlieren." Grundsätzlich sah der Minister auch keinen Grund zur Besorgnis. "Wir sind extrem zufrieden mit unseren Positionen, unseren Investitionen und unserer Liquidität in unseren Systemen." Der Verkauf von Anteilen an großen westlichen Unternehmen durch den heimischen Staatsfonds stehe nicht zur Debatte. Das vor allem von der Öl- und Gasförderung abhängige Katar ist etwa strategischer Investor bei Volkswagen und der Deutschen Bank, wodurch die Auswirkungen der Krise bis in den europäischen Vorstandsetagen reichen.
Giftiger Cocktail in Nahost
Es ist ein gefährlicher Cocktail, der sich zusammenbraut im Nahen und Mittleren Osten: Zwei Blöcke, das sunnitische Königshaus Saudi-Arabien und sein Erzrivale, der schiitische Iran, die keine diplomatischen Beziehungen unterhalten und sich in der gesamten Region seit vielen Jahren einen Stellvertreterkrieg liefern, prallen aufeinander. Die sunnitische Extremistenmiliz "Islamischer Staat" versucht trotz der zunehmenden Gebietsverluste in Syrien und im Irak noch immer, diese Rivalität für sich zu nutzen.
Für zusätzlichen Zündstoff sorgt in dieser Gemengenlage die neue US-Administration, deren Präsident Donald Trump bewusst wieder ein Nahverhältnis zu Riad sucht und Teheran als Handlanger des Terrorismus bezeichnet. Trump hatte ganz bewusst Saudi-Arabien zum Ziel seiner ersten Auslandsreise gemacht, die wiederbelebte Freundschaft wurde durch einen 110-Milliarden-Dollar-Waffendeal besiegelt.
In puncto Katar fährt Washington aber einen Zickzackkurs. Nachdem Trump auf Twitter zunächst damit geprahlt hatte, dass seine Riad-Reise schon "erste Ergebnisse" zeige, rief sein Außenminister Rex Tillerson kurze Zeit später alle Beteiligten zur Mäßigung im Konflikt auf. Trump selbst wieder sagte ein wenig später, dass Katar damit aufhören müsse, Terroristen zu finanzieren. In dem Emirat befindet sich auch ein wichtiger US-Militärstützpunkt, knapp 10.000 Mann sind hier stationiert.
Machtlose Mediatoren
Nicht wirklich neutralisieren konnten diesen Cocktail die drei Mediatoren der Region, die Türkei, Kuwait und der Oman. Kuwaits Aufrufe zum Dialog blieben ungehört. Auch Ankara wollte vermitteln. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bekannte sich zu Wochenbeginn erneut zu Katar und meinte, dass sich Moslems untereinander nicht mehr bekriegen dürften. Zuvor hatte er der Verlegung von Truppen in das Emirat zugestimmt. Letztendlich verfügt allerdings ohnehin nur Omans Sultan Qabus über genug Ansehen, um von Riad und Teheran gehört zu werden.
Ein Ende der Krise ist jedenfalls nicht in Sicht, denn schon ab Donnerstag wollen einige sunnitische Golfstaaten über neue Strafmaßnahmen gegen Katar beraten. Die Hilfslieferungen mit der staatlichen Iran Air dürften also noch einige Zeit weitergehen.