Steigende Preise bringen Milchquote der EU unter Druck. | Niederländische Milchbauern sind euphorisch. | Oosterhoud. Eine Herde weiß-schwarz gefleckter Kühe grast friedlich am Ortsrand von Oosterhoud im Süden der Niederlande. Peter Hoeks stapft mit Gummistiefeln über die Wiese und klopft einer Kuh fast liebevoll auf den Rücken. Er kennt sie alle mit Namen und Nummern. Seit 20 Jahren führt der Holländer den Hof und ernährt damit seine fünfköpfige Familie. 60 Milchkühe besitzt er gemeinsam mit seinem Freund und Kollegen Harry. 650.000 Kilogramm Milch produzieren die beiden jedes Jahr für eine holländische Genossenschaft.
"Ohne die Milchquote könnten wir locker 20 Kühe mehr halten und entsprechend über 800.000 Liter Milch produzieren", sagt Peter Hoeks und schlüpft unter dem Stacheldrahtzahn zurück auf den Schotterweg, der zwischen den Weiden hindurch führt.
So wie Hoeks geht es vielen Bauern in den Niederlanden: Die von der EU auferlegte Milchquote bremst sie in ihrer Produktion, und das wollen die Bauern so schnell wie möglich ändern. "Die Stimmung ist euphorisch. Bisher diktierte Brüssel die Regeln auf dem Milchmarkt. Ab sofort wird der freie Markt bestimmen", sagt Klaas Johan Osinga vom Verband der niederländischen Agrarunternehmer LTO.
Freier Markt statt EU-Agrarpolitik
Die Milchquote führte die Europäische Union 1984 ein, um gegen die Überproduktion von Milch und Butter zu kämpfen. Jedes Mitgliedsland bekommt seitdem jährlich ein gewisses Kontingent an Milchprodukten zugeteilt. Wird es überschritten, drohen den Bauern Strafzahlungen. Im Gegenzug garantiert die EU einen Mindestpreis und subventioniert Exporte in Drittländer, falls die Preise dort niedriger sind als innerhalb der EU.
Aber immer mehr Bauern und auch die EU-Kommission halten dieses System für überholt. "Die Bauern sollen für den Markt produzieren. Die Quote ist nicht mehr zeitgemäß", sagt Michael Mann, Sprecher der EU-Landwirtschaftskommissarin Mariann Fischer-Boel. Sie will die Quote 2015 abschaffen und beginnt nun, mit den Mitgliedsstaaten darüber zu verhandeln, wie das am besten zu erreichen ist.
"Normalerweise bekommen wir von den Bauern Gegenwind. Sie wollen nichts verändern. Diesmal ist das zum Glück anders", schildert Mann.
Kleine Bauern kommen unter Druck
Die Unterstützung der Landwirte ist ein Novum in der europäischen Agrarpolitik und durchaus ein mutiger Schritt der Bauern: "Die Welthandelsorganisation schreibt einen freien Markt vor. Wir können uns davor nicht verschließen. Ich fürchte mich nicht vor den Preisschwankungen", sagt der niederländische Bauer Hoeks. In seinem Stall haben knapp 100 Tiere Platz, seine Melkmaschine entspricht dem neuesten technischen Standard. "Es werden vor allem die kleinen Bauern mit der Milchproduktion aufhören. Uns wird das nicht betreffen", sagt Hoeks. Er hofft sogar, die Kühe solcher Kleinbauern übernehmen zu können. Einkommensschwankungen von rund 5000 Euro im Jahr seien zu verkraften. "Um mehr geht es nicht. Die Milchpreise waren in den vergangenen 30 Jahren stabil", meint Hoeks.
Zurzeit liegt der Milchpreis so hoch wie schon lange nicht mehr. Hoeks bekommt für ein Kilogramm Milch rund 62 Cent. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten musste die Europäische Union in diesem Jahr keine Exportsubventionen bezahlen. "Der Markt ist gesund. Unsere Reformen haben funktioniert", sagt Kommissionssprecher Mann. Davon wollen die 20.000 niederländischen Milchbauern nun profitieren und ihre Produktion ohne Kommandos aus Brüssel gestalten.
Europaweiter Handel mit Milchkontingenten
Aber das sehen nicht alle so. Aus Frankreich und Deutschland kommt Widerstand gegen die Agrarreform. Die Europäische Kommission erwägt deshalb Übergangslösungen.
"Wir könnten die Quoten zum Beispiel nach und nach erhöhen", erklärt Mann. Das käme Peter Hoeks und seinen Kühen im Polderland entgegen. Außerdem möchten er und seine Kollegen in Zukunft eine Art Emissionshandel mit Milch einführen. "In Frankreich und Großbritannien wird die Quote nicht vollgemolken. Wir wollen diese freien Kontingente aufkaufen und so unsere Produktion erhöhen", schlägt der Landwirt vor. Für die Europäische Union hätte das Aufheben der Quoten durchaus Vorteile, denn so würden die Direktsubventionen der Milchprodukte wegfallen.
Finanzspritzen sollen beibehalten werden
Ganz und gar wollen aber auch die niederländischen Bauern nicht auf die Finanzspritze aus Brüssel verzichten. Weiter gehen soll nämlich die Unterstützung für alle Landwirte unabhängig von ihrer Produktion, weil sie zum Beispiel die Landschaft pflegen. Und diese Direktzahlungen machen in den Niederlanden im Durchschnitt immerhin 20.000 Euro pro Jahr und Bauer aus.