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Hendl-Diebe in U-Haft

Von Matthias G. Bernold

Wirtschaft

Wegen Beihilfe zur Schlepperei wurde gegen Rechtsanwalt Georg Bürstmayr ermittelt. Amnesty International (AI) bezeichnete das - inzwischen eingestellte - Verfahren als politische Verfolgung. Der "Wiener Zeitung" verriet Bürstmayr, der auch im Menschenrechtsbeirat sitzt, wie sich das Problem der Unterbringung von Asylwerbern lösen ließe, was es mit dem Asylmissbrauch auf sich hat und warum sich Menschen, die "besonders fremd" aussehen, so gut zum Sündenbock eignen.


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Begonnen hat alles damit, dass sich Bürstmayr im Jänner dieses Jahres zusammen mit Anwalts-Kollegin Nadja Lorenz (ebenfalls im Menschenrechtsbeirat) nach Tschechien aufmachte, um dort seine Mandanten, eine Gruppe tschetschenischer Flüchtlinge, zu beraten. Die Tschetschenen waren zuvor an der österreichischen Grenze von Grenzbeamten "überredet" worden, umzukehren. Bürstmayer hatte eine Maßnahmenbeschwerde gegen die Vorgangsweise der Grenzbeamten eingebracht. Sein Vorwurf: Den Tschetschenen wurde rechtswidriger Weise die Möglichkeit genommen, Asylanträge zu stellen.

Einige Monate später und - wie AI hervorstrich - in Zusammenhang mit der anstehenden Neubesetzung des Menschenrechtsbeirats, begannen die Sicherheitsbehörden Ermittlungen gegen Bürstmayr und Lorenz. Eine Sachverhaltsdarstellung erging an das Bundeskriminalamt (BKA) plus der Anfrage, ob Bürstmayr nicht den Tatbestand der Schlepperei erfüllt habe. Das BKA bezeichnete den Vorgang - gegen den die Grünen im Parlament diese Woche eine dringliche Anfrage einbrachten - als Routine.

"Wiener Zeitung": Fühlen Sie sich politisch verfolgt?

Georg Bürstmayr: Das ist die Einschätzung von AI. Wie ich gehört habe, dass auch gegen die Kollegin Lorenz Ermittlungen laufen, und zwar wegen eines Interviews, haben bei mir die Alarmglocken geschrillt.

Im Menschenrechtsbeirat kontrollieren sie die Verwaltung - als Rechtsanwalt sind Sie Interessensvertreter. Kommt es da zu Interessenskonflikten?

Nein. Weil ich in Wien, wo ich kontrolliere, nicht vertrete. Im übrigen: Als der Menschenrechtsbeirat gegründet wurde, hat man Experten gesucht. Selbstverständlich können und sollen das auch Anwälte sein.

Warum, glauben Sie, ist Asyl ein so umstrittenes Thema?

Aus vielerlei Gründen. Zum einen war Westeuropa auf den Fall des Eisernen Vorhangs nicht ausreichend vorbereitet. Die Zahl der Menschen, die nach Westeuropa wollen, ist über die Jahre stark gestiegen. Auch sind Asylwerber - und vor allem jene die besonders "fremd", besonders "schwarz" ausschauen - ein hervorragendes Ventil für die Ängste und den Frust von Modernisierungsverlierern. Gerade in Zeiten mit einem großen sozialen Gefälle haben Asylwerber als Sündenböcke auch für Politiker eine ganz wichtige Funktion: Vom eigenen Versagen lässt sich leicht ablenken.

Stichwort Asylmissbrauch: Wie sehen Sie dieses Problem?

Wie in jedem Verwaltungsverfahren gibt es berechtigte und nicht berechtigte Anträge. Die westlichen Staaten haben in den 1990er-Jahren begonnen, ihre Türen für Migranten zu verschließen. Das Asylrecht wurde zur Hintertür für Migranten. Zu entscheiden, wem aufgrund von Verfolgung Asyl zusteht und wem nicht, ist die Aufgabe des Asylrechts.

Kann man zwischen Flüchtlingen und Migranten so klar unterscheiden?

In vielerlei Hinsicht schon: Ein Migrant will woanders leben - ein Flüchtling muss. Auch wenn klar ist, dass niemand aus Jux und Tollerei in die Fremde geht und Freunde und Familie verlässt.

Wie ließe sich das Problem der Unterbringung lösen?

Die Asylbehörden müssen in die Lage versetzt werden, mit der Menge der Leute umzugehen. Der Bundesasylsenat hat einen Rückstand von drei bis vier Jahren. Eigentlich bräuchte jeder der derzeit 30 Referenten im Asylsenat zwei Vollzeit-Mitarbeiter. Würden wir es schaffen, ein Verfahren innerhalb eines Jahres abzuwickeln, hätten wird auch kein Unterbringungsproblem.

Wie mit Flüchtlingen umgehen, die straffällig werden?

Ausländer, die ernsthafte Delikte begehen, können schon jetzt nach geltendem Recht abgeschoben werden. Bei Asylwerbern müssen wir uns aber fragen, was passiert mit ihnen, wenn wir sie abschieben. Die Menschenrechte gelten nun einmal nicht nur für die Schönen, Lieben und Guten. Bei schwerwiegenden Delikten verliert auch ein Flüchtling seinen Schutz: Etwa bei Mord oder Vergewaltigung. Derzeit frustriert es alle Beteiligten, wenn die Asylverfahren - speziell bei straffälligen Personen - vier bis acht Jahre dauern, und deshalb eine berechtigte Abschiebung nicht vollzogen werden kann.

Österreichs Gefängnisse sind zu 40 Prozent mit ausländischen Strafgefangenen belegt.

Schon. Aber da muss man genau hinsehen, warum. Ein Grund ist, dass U-Haft bei Ausländern vielfach verhängt wird, wo man bei einem Österreicher nicht einmal auf die Idee käme. Wenn jeder Hendl-Dieb, jeder Bub, der eine Tafel Schokolade stiehlt, in U-Haft kommt, darf man sich nicht über überfüllte Gefängnisse wundern. Das nächste ist, dass Ausländer teilweise drakonische Strafen ausfassen.

In Traiskirchen ist die Stimmung sehr aufgeheizt.

Traiskirchen ist ein Sonderproblem. Es gibt dort zu viele Asylwerber. Großteils junge Männer, denen fad ist, die nichts zu tun haben. Wir haben sehr positive Beispiele in anderen Gemeinden, wie Integration funktionieren kann. Was oft fehlt, ist der politische Wille. Laut Gesetz braucht der Innenminister für eine neue Betreuungs-Einrichtung keinen Bürgermeister oder Landeshauptmann fragen. Warum lässt man Asylwerber nicht einfach in den Gemeinden mitarbeiten? Es gibt so viele Aufgaben in den Kommunen, für die kein Geld da ist. So könnte jeder profitieren. n