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Inhärentes Gewalt-Problem des Islam. | Migration ist eine Einbahnstraße. | Wiener Zeitung: In der vergangenen Woche sind in Wien drei Terror-Verdächtige verhaftet worden, in Deutschland wurde vor kurzem ein schwerer Bombenanschlag rechtzeitig vereitelt. Dass es auch bei uns einen islamischen Terrorismus gibt, ist nach solchen Ereignissen nicht mehr zu bestreiten. Strittig ist aber nach wie vor, ob es sich dabei um einen Missbrauch des Islam handelt, oder ob die Gewalttätigkeit zu seinen Wesensmerkmalen gehört. Wo stehen Sie in dieser Debatte? | Henryk M. Broder: Mich erinnert diese Debatte an die siebziger Jahre in Deutschland, als die Aktionen der RAF immer nur "einer kleinen radikalen Minderheit" zugeschrieben wurden. Das war einerseits richtig, andererseits albern. Tatsächlich konnte man die RAF quantitativ vernachlässigen, aber diese paar Dutzend Leute haben es trotzdem geschafft, die Bundesrepublik komplett umzukrempeln. Deswegen misstraue ich grundsätzlich dem Argument der Zahl. Entscheidend ist, was ein bestimmtes Phänomen für die Gesellschaft bedeutet. Wir - in Deutschland wie in Österreich - haben sehr viel Zeit damit verbracht, die islamische Bedrohung kleinzureden.
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Wir haben alle möglichen Übungen angestellt, um uns nicht mit der Kernfrage beschäftigen zu müssen. Eine dieser Übungen stammt leider von meinem Freund Bassam Tibi, der die Unterscheidung zwischen "Islam" und "Islamismus" eingeführt hat. Das ist eine relativ neue Wortschöpfung, die dazu angetan ist, den größten Teil der Moslems von jedem Verdacht freizusprechen und die Aufmerksamkeit nur auf einen kleinen Teil zu konzentrieren. Natürlich sind nicht alle Moslems Terroristen, aber leider sind so gut wie alle Terroristen der letzten Zeit Moslems. Der Islam hat ein inhärentes Problem mit der Gewalt. Wer das leugnet, nimmt das eigentliche Problem nicht zur Kenntnis.
Vielleicht will die europäische Politik die Möglichkeiten des Dialogs und der Integration offen halten, und schreckt deshalb vor allzu scharfen Verurteilungen des Islam zurück. Wäre ein solcher Integrationskurs wirklich so verwerflich?
Ich bin eher Diagnostiker als Therapeut. Was getan werden müsste, weiß ich nicht. Ich finde nur, dass man die Situation erst einmal richtig erkennen sollte. In Bagdad, Damaskus, Beirut oder Amman stehen Schlangen vor den österreichischen, deutschen, schweizerischen und dänischen Konsulaten. Viele Menschen von dort wollen zu uns kommen. In Wien, Berlin, Bern und Kopenhagen gibt es aber keine Schlangen vor den arabischen Vertretungen. Die Migration ist eindeutig eine Einbahnstraße, also müssen die Bedingungen dafür von uns gestellt werden. Ich habe nichts gegen Migranten, ich habe nichts gegen Moslems, ich habe auch nichts gegen den Bau von Moscheen. Wenn die Menschen einmal bei uns sind, kann man ihnen ihre Rechte nicht verweigern. Aber es muss klar sein, in welchem Rahmen das Leben hier stattfindet. Allzu großzügige Zeichen des Entgegenkommens werden von der Gegenseite übrigens auch gar nicht honoriert. Es ist allerdings vollkommen unklar, wer diese Gegenseite überhaupt vertritt. Mein Verdacht ist, dass es unter den Moslems in Europa eine schweigende Mehrheit gibt, die nichts anderes will, als in Ruhe leben. Deren Interessen werden aber von den offiziellen moslemischen Repräsentanten nicht wahrgenommen. Wir wissen aus der Bundesrepublik, dass die fünf muslimischen Interessensverbände nur 20 Prozent aller Moslems repräsentieren. Wer vertritt die anderen 80 Prozent? Das sind ungeklärte Fragen. Aber was genau getan werden sollte, ist schwer zu sagen, weil die Krise schon relativ weit fortgeschritten ist.
Zwei Möglichkeiten werden diskutiert: Einerseits scharfe Grenzziehung, andererseits weitestgehende Toleranz. Beide Optionen stehen in der abendländischen Tradition, denn schließlich ist auch Toleranz ein nicht unwichtiger europäischer Wert. Fällt es den Europäern auch deshalb so schwer, auf einen härteren Kurs umzuschwenken?
Das ist sicher so, und das spricht eigentlich für Europa. Wenn aber in manchen evangelischen Gemeinden in Deutschland der Geburtstag Mohammeds gefeiert wird, und wenn wir es hinnehmen, dass vermummte Frauen mitten durch Europa laufen, obwohl die Möglichkeit, einander ins Gesicht zu sehen, ein wichtiges Element des kultivierten Umgangs miteinander ist, dann ist der Kampf auf einigen wichtigen Terrains schon verloren. Die Grenzziehung fällt aber auch schwer, weil wir nicht wissen, wovon wir uns abgrenzen sollen. Eine Gesellschaft, die sich erst durch Druck von außen bewusst wird, dass sie sich verteidigen sollte, hat nicht mehr die innere Kraft, sich darüber klar zu werden, was genau sie verteidigen will. Ich rede jetzt nur von Deutschland, weil ich mich dort besser auskenne als in Österreich: Wenn eine hochkulturelle Gesellschaft wie die deutsche keine anderen Sorgen hat als das Dosenpfand, die Homo-Ehe und die Kilometerpauschale, dann gefällt mir das wirklich gut. Es zeigt aber leider auch, dass die Kraft fehlt, sich mit substanziellen Fragen des Lebens und Überlebens auseinanderzusetzen. Deshalb tun wir so, als ob es um ein religiöses Problem ginge, obwohl doch ein harter politischer Konflikt stattfindet: Eine vermutlich kleine, aber doch sehr handlungsbereite und hoch motivierte Gruppe von Menschen unternimmt den Versuch, anderen ihren Lebensstil aufzuzwingen. Die Toleranz, von der Sie gesprochen haben, kommt in einer solchen Situation nur den Rabauken zugute. Sie halten sich nicht an die Spielregeln, und wenn sie abgemahnt werden, erheben sie den Vorwurf der Intoleranz. Deshalb muss man heute intolerant sein, um bestimmte Grundrechte zu garantieren.
Manche Kritiker dieser Intoleranz vergleichen den neuen Anti-Islamismus mit dem alten Antisemitismus. Sie hingegen haben immer wieder darauf hingewiesen, dass gerade in den pro-islamischen Argumenten zuweilen antisemitische Töne mitklingen. Wie ist diese widersprüchliche Sicht der Dinge zu verstehen?
Es gibt einen gewissen Rassimus, von dem Juden und Araber gleichermaßen betroffen werden. Der ist nicht hinzunehmen. Aber die Behauptung, die so genannte "Islamophobie" sei der Antisemitismus von heute, ist schlichtweg Hochstapelei. Der Vorwurf, die Israelis würden die Palästinenser heute genau so behandeln, wie die Nazis früher die Juden behandelt haben, dient nur dazu, sich vor der Geschichte aufzuwerten. Interessant ist aber etwas anderes: Juden, die noch älter sind als ich, haben lange geglaubt, nach Auschwitz könne es keinen Antisemitismus mehr geben. Und heute erleben wir einen neuen Antisemitismus, der nicht trotz, sondern wegen Auschwitz entstanden ist - nach dem wunderbaren Satz des israelischen Psychoanalytikers Zwi Rex: "Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen."
Auf unsere muslimischen Verwandten übertragen, bedeutet das: Was sie umtreibt, ist der Holocaust-Neid. Sie glauben, dass die Opfer der Geschichte wie Vorzugsschüler behandelt werden. Was mich angeht, würde ich dieses Privileg gerne für ein Stück Sachertorte eintauschen. Ich bestehe nicht auf dem Eigentumstitel des historischen Opfers.
Aber dieser Komplex ist auch deshalb so vertrackt, weil sich viele Linke und Linksliberale der moslemischen Argumentation angeschlossen haben. Dabei missbrauchen sie ihrerseits die Moslems. Der Sozialismus ist dahin, die Ausgebeuteten und Unterdrückten verbringen ihre Wochenenden auf den Malediven. Und wer bleibt da als Adressat der linken Solidaritätskundgebungen übrig? Die armen, verfolgten Moslems. So sucht sich jeder aus der Geschichte das heraus, was er haben will.
Im Übrigen kann ich das Wort "islamophob" nicht als Schimpfwort auffassen. Leider gibt es eine gewisse Verbindung zwischen Islam und Terror. Wenn ich also "islamophob" bin, dann heißt das nur, dass ich die begründete Angst habe, zur falschen Zeit in einem Café zu sitzen, in dem vielleicht gerade jemand das Bedürfnis hat, sich in die Luft zu sprengen. Wenn er unbedingt in die ewigen Jagdgründe eingehen will, sage ich: Nur zu! Aber mitkommen möchte ich nicht.