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Herausforderungen für den Weisenrat

Von Waldemar Hummer

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Waldemar Hummer ist Universitätsprofessor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck. Foto: privat

Einmal mehr wird in der EU eine Reflexionsgruppe bemüht, um über die zukünftige Entwicklung der Union zu räsonieren. Die Erwartungen sind dabei hoch. | Eines der Geheimnisse für den Fortbestand der Europäischen Union (EU) ist der Umstand, dass ihr die Gründungsväter keine endgültige politische Finalität mitgegeben haben. Niemand weiß, wie die endgültige Gestalt der EU aussehen wird und wann dieser Endzustand eigentlich erreicht werden soll. Damit ist der Weg das Ziel.


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Der Nachteil dieser an sich genialen Konzeption ist aber der, dass sich bei dieser Annäherung "step-by-step" immer wieder Weggabelungen ergeben, an denen die Mitgliedsländer aus eigenen Kräften nicht mehr entscheiden können, in welche Richtung sie gehen sollen.

In diesem Fall bedienen sich die EU-Staaten in der Regel der Expertise von Fachleuten. Anlässlich der Unterzeichnung des Vertrages von Lissabon über die Fortentwicklung der EU am 13. Dezember 2007 war es wieder einmal soweit.

Experten sollen helfen

Der tags darauf in Brüssel tagende Europäische Rat setzte eine unabhängige Reflexionsgruppe ein, die dazu beitragen soll, dass die Union die Herausforderungen auf lange Sicht (Horizont 2020-2030) effizienter vorhersehen und bewältigen kann.

Die Gruppe sollte von den in der Berliner Erklärung vom 25. März 2007 ("WZ" vom 31. März 2007) aufgezeigten Herausforderungen ausgehen und die entscheidenden Themen und Entwicklungen ermitteln, mit denen die EU in den nächsten Jahrzehnten konfrontiert ist.

Die Reflexionsgruppe hat sich besonders um die Stärkung und Modernisierung des europäischen Modells des wirtschaftlichen Erfolgs und der sozialen Verantwortung sowie um die nachhaltige Entwicklung als grundsätzliches Ziel der EU zu kümmern. Weitere Kernpunkte sind die globale Sicherheit, Migration, Energie und Klimaschutz sowie der Kampf gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus.

Die Gruppe hat ihre Überlegungen innerhalb des vom Vertrag von Lissabon abgesteckten Rahmens anzustellen und wird daher auch keine institutionellen Fragen erörtern. Da die Analyse langfristig ausgerichtet ist, sollte sie auch weder eine Überprüfung der derzeitigen Politiken vornehmen, noch sich mit dem nächsten Finanzrahmen der EU befassen.

Der Europäische Rat bestimmte in der Folge den ehemaligen spanischen Regierungschef Felipe González Márquez als Vorsitzenden und die lettische Ex-Präsidentin Vaira Vike-Feiberga sowie den finnischen ExNokia-Chef Jormila Ollila als Vizevorsitzende. Der Reflexionsgruppe "Horizont 2002-2030", die auch als "Weisenrat" bezeichnet wird, sollen nicht mehr als neun Mitglieder angehören, die in der gesamten EU auf der Grundlage ihrer Verdienste ausgewählt werden. Der Vorsitzende und die beiden Vizevorsitzenden wurden ersucht, eine Namensliste vorzulegen, die vom Europäischen Rat unter der französischen Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2008 zu prüfen sein wird.

Die Rolle von Sarkozy

Damit haben sie sich bei ihrer Nominierung mit dem französischen Staatspräsidenten und künftigen Rats-Vorsitzenden Nicolas Sarkozy zu arrangieren. Die Gruppe nimmt die Konsultationen vor, die sie für angezeigt erachtet und wird dem Europäischen Rat auf seiner Juni-Tagung im Jahr 2010 Bericht erstatten.

Der Weisenrat geht auf eine Idee von Sarkozy zurück, der damit ursprünglich die Grenzen Europas untersucht wissen wollte. Im Klartext bedeutete das allerdings, dass damit Argumente gegen einen Beitritt der Türkei gesammelt werden sollten.

Im Mandat des heutigen Weisenrates sind die Grenzen der EU aber nicht angesprochen, sondern nur ganz allgemein die Herausforderungen, denen sich die Union in Zukunft vermehrt zu stellen hat.