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Steinmeier wirft Kanzlerin mangelnde Aufrichtigkeit vor. | E.ON wird zwei AKW nicht wird anfahren. | Berlin. Drei Monate nach der Katastrophe von Fukushima hat Bundeskanzlerin Angela Merkel um Hilfe und Verständnis für ihre Kehrtwende in der Atompolitik geworben. "Für dieses gemeinsame Projekt werbe ich mit aller Kraft und mit aller Überzeugung", sagte Merkel in einer Regierungserklärung am Donnerstag im Bundestag. | Atomausstieg kostet Deutschland 6 Milliarden Euro pro Jahr | Deutsche Regierung besiegelt Atom-Ausstieg
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Sie appellierte an Länder, Kommunen und den einzelnen Bürger: "Wir alle gemeinsam können bei diesem Zukunftsprojekt ethische Verantwortung mit wirtschaftlichem Erfolg verbinden." Die Energiewende stellte sie in eine Reihe mit nationalen Kraftanstrengungen wie die soziale Marktwirtschaft, die Wiedervereinigung und die Bewältigung der Finanzkrise: "Dieses ist unsere gemeinsame Verantwortung."
Die CDU-Vorsitzende räumte ein, Fukushima habe ihre Haltung zur Kernenergie grundlegend geändert: "So sehr ich mich im Herbst letzten Jahres im Rahmen des Energie-Konzepts auch für die Laufzeitverlängerung eingesetzt habe, so unmissverständlich stelle ich heute fest: Fukushima hat meine Einstellung verändert", sagte sie. "Die dramatischen Ereignisse in Japan sind ein Einschnitt für die Welt, sie waren auch ein Einschnitt für mich ganz persönlich." Die Katastrophe habe gezeigt, dass auch ein Hochtechnologieland wie Japan die Risiken der Kernenergie nicht habe bewältigen können. "Wer das erkennt, muss eine Neubewertung vornehmen. Und ich habe eine Neubewertung vorgenommen", erklärte die Kanzlerin.
SPD will unterstützen
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier lobte die Wende der Kanzlerin, warf ihr mit Blick auf den rot-grünen Atomausstiegsbeschluss von 2000 aber Unaufrichtigkeit vor: "Es kann doch nicht sein, dass ausgerechnet Sie sich hinstellen als die Erfinderin der Energiewende in Deutschland. Das zieht einem doch die Schuhe aus". Früher habe die Union die SPD mit Spott und Häme wegen des Ausstiegs überzogen.
Ginge es um Unterstützung dieser Regierung, dann würde er jedes Gesetz aus der Energiewende ablehnen, sagte Steinmeier. "Aber es geht eben nicht um diese Regierung, es geht um mehr." Es gehe um die Wiederherstellung von Vertrauen und eines politischen Grundkonsenses, den diese Regierung in der Vergangenheit ohne Not zerstört habe.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin nannte die Wende vor allem einen Erfolg der Anti-AKW-Bewegung: "Und bei denen hätten Sie sich heute vielleicht nicht entschuldigen, aber wenigstens bedanken sollen", sagte er an die Adresse der Kanzlerin. Der Atomausstieg sei richtig, die Pläne der Regierung zum Ausbau des Ökostroms seien aber wenig ehrgeizig und nicht überzeugend. Das Ziel von 35 Prozent Ökostrom bis 2020 bleibe selbst hinter dem zurück, was die Regierung schon vor Fukushima an die EU gemeldet habe.
"Von der Quadratur des Kreises"
Merkel sprach mit Blick auf Kritiker am sofortigen Atomausstieg bis 2022 auch aus den eigenen Reihen von einer großen Herausforderung: "Es handelt sich um eine Herkulesaufgabe - ohne Wenn und Aber. Es scheint einer Quadratur des Kreises nahe zu kommen." Deshalb sei es auch legitim, Fragen zu stellen. Dies seien keine Spinner oder Ideologen. Sie hätten ein Recht auf Antworten.
E.ON will AKW nicht wieder hochfahren
Indes gab der größte deutsche Energiekonzern E.ON bekannt, dass er seine Atomkraftwerke Isar I und Unterweser nach Ende des Moratoriums kommende Woche nicht wieder anfahren werde. Ein Sprecher sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin: "Die zuständigen Behörden und die Übertragungsnetzbetreiber werden darüber informiert." Rechtlich wäre eine Inbetriebnahme möglich, da das Atomgesetz frühestens Mitte Juli in Kraft treten wird. Unabhängig davon behält sich E.ON vor, Vermögensschäden geltend zu machen. (APA/dpa/Reuters/red.)