Angestellte, Arbeiter und Unternehmer werden gleichermaßen angesprochen.
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Wien. An sie alle richtet sich diese Messe: eben zugewanderte Migranten in Wien, Studenten, die noch nicht wissen, welcher Beruf zu ihnen passt, Angestellte, die sich umorientieren, und Menschen auf dem Weg in die Selbständigkeit. Die "Migration.Wirtschaft.Messe" will beim Karriereweg helfen. "Unsere Zielgruppe sind junge Erwachsene", sagt die Organisatorin und Geschäftsführerin von Networking Youth Career Adela Kuliga. Veranstaltungsort ist das Bildungszentrum der Arbeiterkammer Wien. Viele Workshops und Podiumsdiskussionen drehen sich um Migranten - aus gutem Grund. Ob Jobsuchende, Arbeitnehmer oder Unternehmer: Menschen mit internationalem Background nehmen zu, worauf staatliche Serviceeinrichtungen nun reagieren. Fast 50 Prozent der Kunden des Arbeitsmarktservice (AMS) haben Migrationshintergrund. "Wir haben unsere budgetären Mittel extra für diese Gruppe aufgestockt", berichtet Gerhard Grundtner vom AMS Wien, das zu den Kooperationspartnern der Messe zählt. Zum AMS-Angebot gehören seit Jahren Deutschkurse, mittlerweile auch Follow-ups zur Auffrischung des Wissens.
Die Gruppe von Menschen mit Migrationshintergrund ist inhomogen, sagt Grundtner: "In den letzten Monaten erlebten wir durch die Öffnung des Arbeitsmarkts einen Zuwachs von Migranten aus Tschechien und der Slowakei mit hohem Qualifikationsniveau." Das Problem dieser Gruppe ist die Nostrifizierung: Viele würden erst gar nicht versuchen, sie zu kriegen, so beschwerlich sei das. Hilfe bei der Nostrifizierung bietet das Beratungszentrum für MigrantInnen, das auch in Muttersprachen berät.
Weiterbildung für Aufstieg
An Beschäftigte, die bereits in einem Dienstverhältnis stehen, richtet sich hingegen das Beratungszentrum des Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds (Waff). "Wir erstellen gemeinsam mit den Kunden einen Bildungsplan", erzählt Waff-Mediensprecher Klaus Kienesberger. Als Erstes wird geklärt, wohin die Kunden wollen, danach, was sie dafür benötigen. "Besonders wichtig ist häufig das Nachholen formaler Bildungsabschlüsse wie des Lehrabschlusses." Den brauche es, um später weiterzukommen.
Auch finanzielle Unterstützung bietet der Waff an, sofern man die Förderbedingungen erfüllt, die sich speziell an am Arbeitsmarkt benachteiligte Gruppen richten, wie Personen mit niedrigem Schulabschluss, Migranten, Frauen und ältere Arbeitnehmer. Rund 40 Prozent der 36.000 Kunden hatten 2011 einen Migrationshintergrund. Die Waff-Homepage ist mehrsprachig, zwischen 25 und 30 Prozent der Berater haben Migrationshintergrund. "Unsere Beratung ist ganz individuell und kostenfrei auf den jeweiligen Kunden abgestimmt."
Mehr als 30 Kooperationspartner sind an der Messe beteiligt, zwölf davon als Aussteller. Auch an Jungunternehmer richtet sich das Angebot. Ethnische Ökonomien haben zugenommen, wie das Diversity Referat der Wirtschaftskammer Wien darlegt: 30 Prozent der 123.400 Wiener Unternehmer haben Migrationshintergrund. Je nach Community gibt es unterschiedliche Trends: Türkeistämmige Unternehmer sind stark im Handel vertreten, die exjugoslawische Community mehr im Transport, Bulgaren vor allem im Kleintransport. Die Wirtschaftskammer versucht mit Informationsoffensiven auf die Zielgruppen einzugehen, etwa durch ein Mentoring für Migranten oder mehrsprachige Beratung.
"Codes entschlüsseln"
Mehrsprachig berät auch Mingo Migrant Enterprises (MME), ein Serviceprogramm der Wiener Wirtschaftsagentur. "Unser Angebot hilft Menschen auf dem Weg in die Selbständigkeit", erzählt Tülay Tuncel. Natürlich seien Deutsch-Kenntnisse für Unternehmensgründungen unerlässlich. Aber: "Menschen fühlen sich in ihrer ersten Sprache wohler. Wir vermitteln ihnen Sicherheit." Etliche MME-Berater kommen aus anderen Kulturkreisen und kennen die dortigen geschäftlichen Gepflogenheiten. "Wir entschlüsseln Codes - Verhaltensnormen, die einem nicht bewusst sind", erläutert Tuncel. Am meisten Hilfe sei in Rechtsfragen nötig sowie bei der Suche nach der richtigen Rechtsform für das Unternehmen und bei Buchhaltung.
Dino Sose, Kooperationspartner und Organisator der Integrationswoche, freut sich über die Messe, dabei sei sie in gewisser Hinsicht auch unerfreulich, weil Menschen mit Migrationshintergrund noch immer schlechter am Arbeitsmarkt positioniert seien. "Gut ist, dass die Messe ihre Situation positiv verändert wird." Die Messe fördere die Partizipation von Migranten, da viele Teilnehmer, wie die Organisatorin Adela Kuliga selbst, zugewandert sind.
Persische Wurzeln haben die Gründer von whatchado, einem ganz besonderen Service für junge Menschen auf Jobsuche. Bei whatchado werden zuerst Interviews mit Berufstätigen aufgenommen. Danach werden die Videos auf die Homepage gestellt. So erfahren Jugendliche etwas über den Lebensweg der Personen und wie es in deren Job zugeht. "Bei uns geben Menschen einen Einblick, den sie von ihrem Alltag kennen", betont Jubin Honarfar von whatchado. "Sie sprechen nicht von der Theorie."
Gerade in einer dynamischer werdenden Jobwelt fehlten jungen Menschen Role Models und der Zugang zu neuen Jobs. Diesen Zugang verschaffe ihnen whatchado. "Wir stellen allen Interviewpartnern 19 Fragen - zum Job, aber auch über ihre Interessen. Auf unserer Homepage kann jeder ebenfalls diese Fragen beantworten. So findet er heraus, welche Leute so ticken wie er. So entstehen neue Berufsbilder."
Whatchado gibt es seit 27. Juni 2011. 30.000 Internet-User greifen monatlich auf die Seite zu und verweilen dort durchschnittlich 21 Minuten lang. Honarfars Botschaft an Migranten lautet: "Traut euch! Alles ist machbar, wenn Du daran glaubst. Und hör auf, Deine Herkunft als Barriere zu sehen. Diese Erkenntnis muss jeder zuerst selber erlangen, anstatt die Schuld bei anderen zu suchen."
Mutig war Magdalena Zelasko, die das Filmfestival Let’s CEE gründete, das Ende Mai erstmals in Wien stattfinden wird und Filme aus Zentral- und Osteuropa in Originalsprache und mit Untertiteln zeigt. Das sei ein Zeichen für Internationalität und kulturellen Austausch, sagt sie: "Dass Menschen hier andere Sprachen sprechen, ist eine Bereicherung für diese Stadt. Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen." Migranten wie Einheimische wolle man ansprechen und einen "anspruchsvollen, lebendigen, authentischen Lebensstil vermitteln." Bei der Messe wird Želasko das Festival vorstellen.