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Früher vergötterten pathetische Schiller-, Goethe- oder Beethoven-Filme ihre Helden als einsame, unverstandene Genies. Mittlerweile sind auch die so genannten "Klassiker der Moderne" filmwürdig. Sie werden meist nicht mehr in kreativer Einsamkeit gezeigt, sondern in Gesellschaft: Demnächst sind Thomas Mann und seine Familie in einem TV-Mehrteiler zu sehen, Donnerstagabend traten Bertolt Brecht und sein Clan in "Abschied" von Jan Schütte auf (ARD).
Über den Film ist viel Gutes zu sagen: Josef Bierbichler zeichnet Brecht als mürrischen Grantler, Monica Bleibtreu zeigt eine robuste Helene Weigel. Auch die meisten anderen Darsteller sind beeindruckend gut. Mängel hat lediglich das Drehbuch: Es setzt allzu viele Vorkenntnisse über Brechts Lebensumstände voraus. Wer von den Eifersüchteleien zwischen Ruth Berlau, Elisabeth Hauptmann, Käthe Reichel und Helene Weigel noch nie etwas gehört hat, wird vielen Szenen wohl nur schwer folgen können. Und wer über die politische Lage in der damaligen DDR nichts weiß, begreift den Streit zwischen dem vorsichtigen Brecht und dem oppositionellen Philosophen Harich womöglich nur als Hahnenkampf um die von beiden Herren begehrte Schauspielerin Isot Kilian.
Ein paar didaktische Hilfestellungen hätten hier also nichts geschadet. Wie man sie dramaturgisch plausibel in eine Spielhandlung einbaut, wäre von keinem besser zu lernen gewesen als von Bertolt Brecht. Aber anscheinend interessieren sich auch die heutigen Filmemacher mehr für das Leben "ihrer" Künstler als für deren Werk.