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Bizarre Wahlduelle und immenses Interesse aus dem Ausland prägten den Wahlkampf vor der Stichwahl.
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Wien. Dieser Wahlkampf hat polarisiert wie kaum ein anderer. Vier Wochen lang wurde intensiv diskutiert, über Wahlempfehlungen spekuliert, und ständig gab es Wahlduelle zu analysieren.
Diese muteten immer wieder bizarr an: "Herr Doktor, Sie sind heute so böse", sagte etwa FPÖ-Kandidat Norbert Hofer zu seinem Kontrahenten Alexander Van der Bellen, als dieser auf Puls 4 in der Diskussion vor einer "blauen Republik" warnte. Das Duell gipfelte schließlich in Hofers Feststellung: "Der Herr ist so vergesslich, das ist ein Wahnsinn."
Ausführlich thematisiert wurde wiederholt das Thema Flüchtlinge. Es seien die Falschen ins Land geholt worden, nämlich Leute, die Gewalt ausüben, meinte Hofer. "Solche Menschen haben keinen Schutz verdient. Das Boot ist voll." Das sprichwörtliche "Boot" sei für die FPÖ nicht erst seit 2016, sondern schon seit 30 Jahren immer voll gewesen, konterte Van der Bellen.
Kaum Inhalte undviele Attacken
Kaum Inhalte und viele gegenseitige Attacken brachte das vorletzte Duell auf ATV, das ohne Moderator ausgetragen wurde. "Sie sind ein Kandidat der Schickeria, ich bin ein Kandidat der Menschen", erklärte da Hofer. "Sie verstehen nichts von der Wirtschaftspolitik", warf Van der Bellen Hofer vor. "Sie haben noch nie in der Wirtschaft gearbeitet", konterte Hofer. Die Diskussion entgleiste immer mehr, schließlich war von "Nachplappern" die Rede, und Van der Bellen ließ sich sogar zu einer "Scheibenwischer"-Handbewegung hinreißen, mit der er Hofer offenbar vermitteln wollte, dass dieser nicht ganz dicht sei.
Wieder gesitteter ging es beim letzten Fernseh-Duell im ORF zu. "Wir sind entgleist, lassen wir es dabei stehen", meinte Van der Bellen rückblickend zum ATV-Duell. "Wenn man zwei Gladiatoren in einer Arena stellt, kann schon passieren, dass beide etwas heftiger miteinander diskutieren", sagte auch Hofer um eine Erklärung bemüht. Emotional wurde er erst, als sein Bericht über eine Israel-Reise infrage gestellt wurde.
Am meisten kosten lassen hat sich den Wahlkampf die FPÖ: 3,4 Millionen Euro haben die Freiheitlichen für die Hofer-Kampagne ausgegeben. Die Grünen haben ihren offiziell unabhängigen ehemaligen Parteichef mit 2,7 Millionen Euro unterstützt. Besonders großen Ärger mit den Wahlplakaten hatte die FPÖ in Tirol. In einer "konzentrierten Aktion" seien flächendeckend Plakate zerstört worden, berichtete Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger. "In Innsbruck gibt es mittlerweile kein Hofer-Plakat mehr, das nicht verunstaltet wurde." Der Schaden betrage mehr als 10.000 Euro.
Zurückhaltung bei Wahlempfehlungen
Mit Wahlempfehlungen waren die Parteien zurückhaltend. Aus der SPÖ sprachen sich jedoch einige - unter anderem der neue Bundeskanzler Christian Kern - für Van der Bellen aus. Irmgard Griss gab zumindest an, Van der Bellen gewählt zu haben. Aus dem bürgerlichen Lager schloss sich etwa der ehemalige ÖVP-Chef und Vizekanzler Josef Pröll dem Personenkomitee für Van der Bellen an.
Die internationale Aufmerksamkeit war für österreichische Verhältnisse immens. Medien aus aller Welt waren an der Wahl interessiert, die ihrer Ansicht nach den Trend zum Rechtspopulismus, der sich in ganz Europa immer mehr ausbreite, verkörpert. Auch internationale Politiker bezogen Stellung zur Stichwahl: Mit Blick auf einen möglichen Sieg Hofers sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in einem Interview mit der französischen "Le Monde" über die FPÖ: "Ich mag sie nicht. Die Österreicher hören das nicht gern, aber das ist mir egal." Mit den Rechtspopulisten sei "weder eine Debatte noch ein Dialog möglich", so Juncker.