Zum Hauptinhalt springen

Herr Hitzlsperger ist homosexuell, na und?

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Medialer Jubel um das Outing eines deutschen Fußballers - aber betretenes Schweigen um die Schwulen- und Judenfeindlichkeit im WM-Land Katar.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Seit der deutsche Fußballer Thomas Hitzlsperger seine Homosexualität öffentlich gemacht hat, hyperventilieren die deutschen Medien in einem derart überschäumenden Ausmaß, als hätten die beiden derzeit im Vatikan lebenden Päpste ihre bevorstehende Verpartnerung annonciert; die deutsche Bundesregierung sah sich genötigt, zu diesem Vorfall offiziell Stellung zu beziehen, und selbst der britische Premier behelligte die Öffentlichkeit mit seiner doch eher unerheblichen Meinung über die sexuelle Orientierung des Deutschen Hitzlsperger.

Nun wurde zwar Homosexualität in der seltsamen Welt des Fußballs bisher tatsächlich verdrängt wie im viktorianischen England, was vermutlich mit dem betont männlichkeitsorientierten Charakter dieses Sportes zusammenhängt - aber dass die Frage, mit wem Herr Hitzlsperger gern Verkehr hat, für derartige unproportionale mediale Erregung sorgt, ist gelinde gesagt eher eigenartig. Noch dazu in einem Land, in dem schwule Spitzenpolitiker (anders als übrigens in Österreich) mittlerweile erfreulicherweise völlig akzeptiert sind. So what?

Noch wesentlich befremdlicher wird der Medien-Hype um den schwulen Kicker jedoch angesichts eines anderen Vorfalles, um den sich die dermaßen aufgeregte Öffentlichkeit erstaunlich wenig schert. Denn just als sich Hitzlsperger outete, wurde Fifa-Boss Sepp Blatter bei einer Pressekonferenz darauf angesprochen, dass im streng muslimischen Emirat Katar, dem Gastgeberland der Fußball-Weltmeisterschaft 2022, Homosexualität mit Auspeitschung bestraft wird - und dass der dortige Chef der Gesundheitsbehörden ankündigt: "Wir müssen strengere Maßnahmen ergreifen, die uns helfen, Schwule zu entlarven, die wir dann an der Einreise hindern können."

Für Herrn Blatter ist das kein Problem. "Ich denke, dann sollten sie jegliche sexuelle Aktivität unterlassen", blaffte der Fifa-Präsident in Richtung Homosexuelle und fand das auch noch komisch. Doch von einem medialen Aufschrei gegen Blatter keine Spur.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Emirate am Golf einschlägig unangenehm auffallen. Erst dieser Tage wurde dem Fußballer Dan Mori vom niederländischen Klub Vitesse Arnheim die Einreise zum Trainingscamp in Abu Dhabi verweigert, weil er israelischer Staatsbürger ist. Im benachbarten Dubai wiederum wurden im Herbst israelische Schwimmer bei einem Wettkampf systematisch diskriminiert, weder die Flagge des Judenstaates noch dessen Name durften gezeigt oder genannt werden.

Dass in einer Gegend, wo Juden und Schwule dermaßen systematisch grob menschenrechtswidrig behandelt werden - ohne jegliches Unrechtsbewusstsein in aller Öffentlichkeit -, in wenigen Jahren eine Fußball-WM ausgetragen wird, ist ein wirkliches Ärgernis. Dass Politiker, die mit hohlem Gestus Wladimir Putin in Sotschi boykottieren, dazu bloß schweigen, ist ungustiöse Doppelmoral. Und dass jene mediale Öffentlichkeit, die sich über ein Kicker-Outing nicht einkriegen kann vor Vergnügen, das kaum der Rede wert findet, ist nicht gerade eine journalistische Glanzleistung.

ortner@wienerzeitung.at