Mehrere deutsche Unis verwenden seit Jahren das generische Femininum. In Österreich gibt es keine Vorgaben.
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Wien. Spott, Lob und Kopfschütteln: Das haben jene Universitäten Deutschlands geerntet, die bereits vor Jahren rein weibliche Bezeichnungen oder zumindest das generische Femininum (bei Personen unbekannten Geschlechts wird die weibliche Form verwendet) in offiziellen Schriftstücken einführten. In Österreich existieren zwar zahlreiche Leitfäden unterschiedlicher Universitäten und Ministerien zum geschlechtergerechten Sprachgebrauch - eine Vorgabe, welche Form tatsächlich verwendet werden soll, gibt es allerdings nicht.
"Eine ähnliche Vorgangsweise wie an den deutschen Unis ist hier nicht geplant", sagt Sylwia Bukowska, Leiterin der Abteilung Gleichstellung und Diversität an der Universität Wien, deren Studierende zu 60 Prozent weiblich sind. Der Gebrauch geschlechtergerechter Sprache sei aber in der Satzung der Universität verankert.
Aufmerksamkeit-Peak
In der Praxis sieht das laut Uni Wien so aus, dass in offiziellen Schreiben wie Strategieplänen oder Leistungsberichten jene Geschlechter genannt werden, die gemeint sind. In manchen Fällen können der Einfachheit halber auch geschlechtsneutrale Bezeichnungen wie Studierende oder Lehrende gewählt werden. Die weibliche und die männliche Form, Schrägstrich, Unterstrich oder das Binnen-I sind ebenfalls möglich.
Laut der Gleichstellungsbeauftragten der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), Bärbel Miemietz, ist das für einen "Aufmerksamkeit-Peak" jedoch zu wenig. Die MHH war eine der ersten Universitäten Deutschlands, als deren Senat 2009 beschloss, in der "Promotionsordnung für Mediziner und Zahnmediziner" rein weibliche Bezeichnungen zu benutzen. "Diese Idee ist eigentlich aus einem Scherz heraus entstanden", erzählt Miemietz der "Wiener Zeitung". "Wir sind mit dem damaligen Präsidenten Dieter Bitter-Suermann zusammengesessen, und er hat gesagt, Gendern ist ihm zu umständlich. Da habe ich gesagt, dann nehmen wir eben nur die weibliche Form."
Bitter-Suermann griff den Vorschlag auf. Somit standen dann Sätze wie: "Die Doktorandin zeigt der Präsidentin das Projekt vor dessen Beginn in der Form der Anlage 1 an", in der Promotionsordnung. Und das, obwohl "die Präsidentin" ein Mann, Bitter-Suermann, war.
Unter den Studierenden waren aber nicht alle davon begeistert. Ganz im Gegenteil. "Es war ein Riesentumult", erinnert sich Miemietz. Der damalige Allgemeine Studierendenausschuss habe einen bösen Artikel in seiner Studentenzeitschrift veröffentlicht, in dem die neue Regelung lächerlich gemacht wurde. Nach mehr als zwei Jahren, als die Promotionsordnung erneut zur Abstimmung stand und neu aufgesetzt werden musste, schaffte man die rein weiblichen Bezeichnungen wieder ab - ging jedoch zu einer Mischform aus Femininum und Maskulinum beziehungsweise der Schreibweise mit Schrägstrich über.
"Sprache schafft eine Welt"
Dabei ist man an der MHH bis heute geblieben. Und das ist laut Miemietz auch besser so. "Sprache bildet die Welt nicht nur ab, sondern schafft auch eine Welt. Wenn wir etwas gegen Rollenbilder unternehmen wollen, müssen wir eine Gleichstellung erreichen", sagt sie. "Männer fühlen sich in die Feminina nicht inkludiert."
Auf dem Weg zur Gleichstellung sei es freilich wichtig und gut, Impulse zu setzen wie 2009. Mit den rein weiblichen Bezeichnungen sei man damals aber vermutlich "noch etwas zu früh gewesen". Mittlerweile seien die Gremien zu zwei Drittel weiblich.
An der Universität Potsdam ruderte man ebenfalls wieder zurück -die Initiative zur geschlechtergerechten Sprache wurde allerdings erst Jahre später gesetzt. 2013 wurde beschlossen, in der Geschäftsordnung des Senats nur noch die weibliche Form wie die Vorsitzende, die Protokollführerin oder die Präsidentin zu schreiben. Männer und Frauen sollten sich davon angesprochen fühlen, hieß es damals. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte man die Schrägstrich-Variante wie die Vorsitzende/der Vorsitzende oder die Protokollführerin/der Protokollführer verwendet.
Heute ist man zu den Schrägstrichen zurückgekehrt. Man verwende wieder beide Formen oder - wenn möglich - neutrale Bezeichnungen wie Studierende, sagt die Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Silke Engel. Seit einigen Jahren gebe es einen Leitfaden zur gendergerechten Sprache und auch "immer wieder darüber hinaus weisende Ideen, von denen sich bisher jedoch keine durchgesetzt hat", so Engel. Die Hauptgründe dafür seien mangelnde Lesbarkeit und Verständlichkeit gewesen.
Männer diskriminiert?
Etwa zeitgleich mit Potsdam hatte 2013 auch die Universität Leipzig aufhorchen lassen: Der Senat entschied damals, in der Grundordnung der Universität künftig nur noch das generische Femininum zu verwenden. Proteste und Vorwürfe, dass die Regelung Männer diskriminiere und von mangelndem Sprachgefühl zeuge, waren die Folge - die Universität Leipzig blieb aber dennoch ihrem Prinzip treu. "Es gehört zur Tradition der Hochschule, Grenzen zu überschreiten", sagte Rektorin Beate Schücking schon 2013.
Die Grundordnung ist somit noch immer im generischen Femininum verfasst. "Zum Zeitpunkt der Änderung hat das eine große Diskussion entfacht, die wichtig war. Aktuell ist weder die Ordnung noch das Femininum ein Thema für uns", sagt dazu Sprecherin Katarina Werneburg. Auch das Karlsruher Institut für Technologie verwendet das generische Femininum seit vielen Jahren in offiziellen Schriftstücken wie zum Beispiel in der Promotionsordnung für Informatiker und Maschinenbauer.
Sowohl in Deutschland als auch in Österreich ist es an den Pädagogischen Hochschulen (PH) Pflicht, die Bachelorarbeiten geschlechtergerecht zu formulieren. Ob es als Sanktion bei der Nichteinhaltung der Vorgaben eine schlechtere Note gibt oder die Arbeit gar nicht angenommen und dem Studierenden zur Überarbeitung zurückgewiesen wird, entscheidet in Österreich die jeweilige PH individuell.