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Im August 1955 starb Thomas Mann, zwei Monate, nachdem er seinen 80. Geburtstag gefeiert hatte. Wie viel sich in der Literatur und im Fernsehen seither verändert hat, konnte man am Montagabend studieren: Zu Manns 50. Todestag wiederholte 3sat ein historisches Fernsehporträt, das erstmals am 3. Juni 1955 ausgestrahlt worden ist, um den 80-jährigen Nobelpreisträger zu ehren.
Der Film bestand aus zwei Teilen: Zuerst wurden Bilder aus Thomas Manns Leben gezeigt. Eine sonore Sprecherstimme erläuterte den Werdegang des Dichters, dazu erklang Musik von Richard Wagner. Im zweiten, interessanteren Teil trat das Ehepaar Mann persönlich auf. Zeremoniell wie königliche Hoheiten gewährten Thomas und Katia Mann dem Fernsehteam eine Audienz in ihrer Villa auf dem Zürcher Kilchberg. Als Gipfel der Intimität durfte man den Herrn des Hauses beim Spielen mit dem Pudel beobachten. Danach verabschiedete sich Thomas Mann in gewählter Rede. Er freute sich, dass die Fernsehzuschauer bei ihm zu Gast gewesen seien, und er bedauerte, dass die Technik es noch nicht erlaube, seine geschätzten Gäste via Fernsehen mit Torte und Portwein zu bewirten.
Nach diesen bemüht jovialen Worten zog sich der Dichter wieder in sein Arbeitszimmer zurück. Es ist anzunehmen, dass er sich dort ungezwungener bewegte als vor der Kamera des damals noch recht neuen Mediums Fernsehen.