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Am Beginn der Regierungsbildung erwecken SPÖ und ÖVP nicht wirklich den Eindruck, über eine sonderlich steile Lernkurve zu verfügen.
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In Frankreich liegt in den aktuellen Umfragen zur 2014 anstehenden Wahl des EU-Parlamentes die Front National der rechtsextremen Marie Le Pen bereits deutlich an erster Stelle vor den Bürgerlichen und den Sozialisten. Man braucht nicht allzu viel politische Fantasie, um dies als Vorboten einer auch hierzulande denkbaren Entwicklung zu deuten, nicht nur im Hinblick auf die EU-Wahlen, sondern durchaus auch auf die nächste Nationalratswahl.
Umso bemerkenswerter ist, wie die beiden großen Opponenten der FPÖ in Österreich seit der Wahl an dieses Problem herangehen: recht entspannt, um es einmal freundlich zu formulieren. Wenn der langgediente SPÖ-Klubobmann meint, man müsse die vorzügliche Regierungsarbeit halt künftig "besser kommunizieren" und die ÖVP-Innenministerin in der "ZiB 2" bloß eine sorgfältig von Inhalten gesäuberte Worthülse an die andere fügt, sind das nicht besonders überzeugende Indizien für einen echten, redlich gemeinten Neubeginn. Die bisherige Lernkurve der beiden Regierungsparteien beeindruckt nicht eben durch ihre Steilheit. Herr Strache kann mit dem bisherigen Verlauf der Dinge also ganz zufrieden sein.
Dazu kommt, dass auch das ziemlich evidente Bedürfnis nach neuen Gesichtern in der Regierung nicht eben in überbordendem Ausmaß erfüllt zu werden scheint. Der Wähler sieht sich an Politikern relativ unabhängig von deren Performance nach einer gewissen Zeit einfach satt. Parteien, deren Marktanteile derart konstant, lange und signifikant zurückgegangen sind wie jene von SPÖ und ÖVP, werden diesen Trend ausgerechnet mit hoher personeller Konstanz nicht umkehren können. Dabei hätten beide Parteien im weiteren Umfeld (noch?) durchaus gut geeignete Kandidaten für eine Blutauffrischung in den obersten Rängen: etwa den trockenen Banker Andreas Treichl (von dem die feine Formulierung stammt: "Ich weiß eigentlich nicht mehr genau, warum ich noch ÖVP wähle") oder den international höchst erfolgreichen Medienmanager Gerhard Zeiler bei den Sozialdemokraten.
Dass selbst weniger prominente Schwergewichte aus der wirklichen Welt jenseits der Politikblase so schwer dafür zu gewinnen sind, für eine Zeit in die Politik zu gehen, haben sich die Parteien weitgehend selbst zuzuschreiben. Gerade für Führungskräfte ist die Aussicht, sich in die byzantinisch organisierten Machstrukturen der ehemaligen Großparteien mit ihren zahllosen informellen Machtzentren, scheinbaren personellen Alternativlosigkeiten und real existierenden Denkverboten einzufügen, von höchst überschaubarer Attraktivität. Jene "Entfesselung", von der Herr Spindelegger im Wahlkampf sprach, täte den beiden Regierungsparteien mit ihren Organisationsformen aus dem vorigen Jahrhundert nicht schlecht.
Dazu kommt, dass die Politik für Stars auch wirtschaftlich völlig unattraktiv ist: Ausgewiesene Nieten sind deutlich überbezahlt, tüchtige (so was gibt es ja auch) Politiker arg unterbezahlt. All dies nach dem Motto "Es gibt genug zu tun, lassen wir es sein" einfach zu ignorieren, wird zu einem spannenden Wahlsonntag 2018 erheblich beitragen.
ortner@wienerzeitung.at