Bürgerbeteiligung bei Großprojekten wie Asperner Stadtstraße ernst nehmen.
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Wien. Seit Mitte Dezember ist Hermann Papouschek, 51, Leiter der MA 29 und somit Herr über 826 Brücken. Und über 544 weitere Bauwerke, wie Stützmauern, Lärmschutzwände, aber auch Stiegen wie die Strudelhofstiege oder Sonderbauwerke wie die Jubiläumswarte. Papouschek war zuvor in der Stadtbaudirektion als Projektleiter seitens der Stadt für den Hauptbahnhof zuständig.
"Wiener Zeitung": Was hat Sie an der Aufgabe des Leiters der MA 29 gereizt?
Hermann Papouschek: An der Aufgabe haben mich zwei Dinge gereizt. Zum einen ist die MA 29 eine fachlich sehr ansprechende Abteilung für mich (Papouschek hat Kulturtechnik und Wasserbau an der Boku studiert, Anm.). Als Techniker gefällt mir, dass es beim Brücken- und Grundbau um konstruktiven, ingenieurbaumäßigen Tiefbau geht, es gibt sonst keine Abteilung, die das abdeckt. Was aber fast noch reizvoller ist, ist der Umgang mit vielen Menschen und die Möglichkeit, eine Führungsrolle auszuüben.
Was haben Sie sich vorgenommen?
Ich hätte als Mitarbeiter gerne gehabt, dass meine Chefs mit mir einmal unter vier Augen Zeit verbringen. Das hat dazu geführt, dass ich nun mit all meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Einzelgespräche führe - 40 von 65 Gesprächen habe ich bereits geführt. Für mich ist die Wertschätzung den Menschen gegenüber ganz, ganz wichtig. Ich habe als Quereinsteiger in dieser Abteilung den großen Vorteil, dass ich noch eine Außensicht habe. Daher kann, darf und muss ich sehr viele Dinge hinterfragen. Das ist auch etwas, das ich mir vom Hauptbahnhof mitgenommen habe, wo ich ebenso bei meinem Arbeitsbeginn Vorarbeiten hinterfragt habe. Ich durfte blöde Fragen stellen, das war in dieser Situation nicht peinlich. Diese Außensicht ist ein Potenzial, das unheimlich viel wert ist, das man dazu nutzen kann, um Stehsätze, wie "Das war schon immer so", konterkarieren zu können.
Welche wichtigen Projekte betreut die MA 29 gerade?
Wir haben derzeit den Holubsteg in Bau, der Anfang nächsten Jahres fertig wird. Derzeit in Bau sind zwei Brücken am Hauptbahnhofgelände, die 2016 fertig werden. Ein großes Bauvorhaben derzeit ist auch die Sanierung der Gürtelbrücke.
Welche Projekte sind in Planung?
Wir haben große Projekte in Planung. Eines davon wird die Stadtstraße sein, die Verbindung der S1 zur A23, quer durch den 22. Bezirk. Bei dem Projekt wird die MA 29 vom Know-how her, aber auch vom Bauvolumen den größten Anteil haben. Es wird dort zwei Untertunnelungen geben, weil die Anforderungen auch der Anrainer bezüglich Schallschutz und dergleichen mitberücksichtigt werden müssen. Wir müssen die U2 unterqueren, das wird ein technisch ehrgeiziges Projekt. Es wird auch eine Brücke über die Stadtstraße errichtet, die Mayreder-Brücke. Ein weiteres Projekt, das in Planung ist, sind die Wiental-Terrassen, wo durch Tragplatten über das Wienfluss-Bett der Lebensraum erweitert werden soll. Was den Grundbau betrifft, begleiten wir beratend den Bau der Verlängerung der U1.
Es gab einmal die Idee einer Klappbrücke über den Donaukanal, was ist daraus geworden?
Von dem Projekt habe ich noch nichts gehört. Prinzipiell setzen wir um, was politisch entschieden wird. Unsere Aufgabe ist, auf technische, aber auch finanzwirtschaftliche Gegebenheiten hinzuweisen, die Politik umfassend zu informieren, was man für Varianten durchführen könnte, was es für Vor- und Nachteile gibt, auch darüber, welche No-Gos es aus technischer Sicht geben kann. Da muss man auf Augenhöhe mit den Entscheidungsträgern agieren können. Das ist auch etwas, das ich von meiner Tätigkeit als Hauptbahnhof-Projektleiter mitgenommen habe.
Neben den Großprojekten ist die Verwaltung und Erhaltung aller unserer Sonderbauwerke und Brücken sehr wichtig. Insgesamt betreuen, prüfen und kontrollieren wir 1370 Bauwerke. Mindestens drei Mal im Jahr werden sie aufgesucht, alle zwei Jahre erfolgt eine Kontrolle und alle sechs Jahre eine detaillierte Prüfung.
Wäre der Einsturz der Reichsbrücke noch einmal möglich?
Nein. Man hat in den letzten Jahrzehnten sehr viel gelernt, auch aus dem Einsturz der Reichsbrücke, und darauf reagiert. Eine Reaktion war, die MA 29, die damals noch mit der MA 45 zusammen war, herauszulösen und zu einer eigenständigen Magistratsabteilung zu machen. Aus technischer Sicht kann so etwas einfach nicht mehr passieren, weil die Kontrollen ausgefeilt sind, gewissenhaft durchgeführt und, was das Wichtigste ist, dokumentiert werden. Die MA 29 ist auch ISO-9002-zertifiziert, unser Qualitätsmanagement wird zyklisch überprüft. Wir sind die erste Abteilung in Wien, die dieses Zertifikat bekommen hat.
Die Arbeit der Grundbauer dient der Vorbereitung für Bauprojekte und ist für Anrainer oft das erste Zeichen von Gefahr. Sie reagieren oft mir Protest, wie zum Beispiel bei der Stadtstraße. Wie gehen Sie damit um?
Es hat überall Bürgerversammlungen und Bürgerforen gegeben. Man muss mit diesen Bürgerbeteiligungsverfahren sehr gewissenhaft umgehen und sie ernst nehmen. Das ist nicht nur ein Akt der Höflichkeit oder geschieht nicht nur, weil es gesetzlich vorgegeben ist. Man hat dabei auch die große Chance, aufzuklären und Irrtümer richtigzustellen. Ich habe beim Hauptbahnhof die Erfahrung gemacht, dass man sehr viel durch Aufklärung reparieren kann. Ich trau mich aber auch, Nachteile offen anzusprechen. Ich kann nicht verschweigen, dass eine Bautätigkeit temporär Lärm, Schmutz und Staub erzeugt. Das kann man durch Maßnahmen so gering wie möglich halten, es bleibt aber etwas davon übrig. Eine Baustelle wird immer Schmutz machen, wird immer laut sein und wird immer Geld kosten. Das sind die Nachteile, die das Baugeschehen hat. Auf die muss man offen eingehen. Im Gegenzug kann man den Nutzen verdeutlichen, den die Menschen haben, wenn das Bauvorhaben fertiggestellt ist.
Ein umstrittenes Projekt ist auch der Lobautunnel. Inwieweit ist die MA 29 darin involviert?
Wir haben mit dem Lobautunnel nichts zu tun, es ist ein Projekt der Asfinag.
Haben Sie eine Lieblingsbrücke?
Ja, das ist die Südbahnhofbrücke. Das ist bautechnisch ein imposanteres Bauwerk als der Arsenalsteg, die beide am Hauptbahnhof errichtet werden. Der Bogen ist höher und größer, und die Brücke wird auch für den Individualverkehr freigegeben und ist daher das mächtigere Bauwerk. Außerdem überbrückt sie eine Barriere, die 150 Jahre lang zwischen dem dritten und dem zehnten Bezirk bestanden hat. Und sie ist auch die jüngste, derzeit schon stehende Brücke.