Deutschlands Außenminister lässt sich von Parteispendern und Lebenspartner auf Auslandsreisen begleiten. | Opposition spricht von "Amtsmissbrauch" und "Käuflichkeit". | Berlin. Seit Tagen ist es Thema Nummer eins in Deutschlands Blätterwald: Guido Westerwelle und seine Reisepraktiken. Dem Außenminister wird Günstlingswirtschaft und die Verquickung dienstlicher und privater Belange vorgeworfen.
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Konkret geht es um die Auswahl der Reisepartner des FDP-Politikers. Wie der "Spiegel" aufgedeckt hatte, begleiteteten Westerwelle stets Unternehmer, die zuvor an die Partei gespendet hatten.
So war etwa der Geschaftsmann Ralf Marohn, Mehrheitseigner der Far Eastern Fernost Beratungs- und Handels GmbH, mit Westerwelle im Jänner auf Asien-Reise. Dies stieß auf rege Kritik, da der Bruder des Außenministers, Kai Westerwelle, Anteilseigner bei Marohns Firma ist. Mit in Asien war auch ein gewisser Cornelius Boersch, der als Eigentümer der Schweizer Firma Mountain Partners AG ebenfalls an Marohns Unternehmen beteiligt ist und die FDP bisher mit über 160.000 Euro an Spendengeldern unterstützt hat. Auf Westerwelles jüngster Südamerika-Reise war dem "Spiegel" zufolge der Gründer von United Internet, Ralph Dommermuth, dabei. Dieser unterstützte die FDP 2005 mit 48.000 Euro.
Opposition spricht von "Amtsmissbrauch" und "Käuflichkeit"
Die Opposition hat sich seit Bekanntwerden der Reisepraktiken auf den FDP-Vizekanzler eingeschossen. Von "Amtsmissbrauch" und "Käuflichkeit" war da die Rede. SPD-Chef Sigmar Gabriel meinte etwa: Für Westerwelles Reisedelegationen hätten "familiäre Geschäftsbeziehungen und Spendengebaren von Mitreisenden offensichtlich den Ausschlag gegeben". "Aus unserer Sicht fehlt ihm schlicht die politische Qualifikation zur Ausübung seines Amtes", so Gabriel. Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast befindet, Westerwelles Amtsführung sei zu einem Problem für das Auswärtige Amt und damit für Deutschland geworden. Klaus Ernst, Vize-Parteichef der Linkspartei, warf Westerwelle vor, ein korrupter Politiker zu sein.
Trotz der anhaltenden Kritik will Westerwelle an seiner Einladungspraxis für Wirtschaftsdelegationen bei Auslandsreisen festhalten. Es handle sich um ein eingespieltes Verfahren, das bei seinem Amtsvorgänger kritiklos akzeptiert worden sei, sagte Westerwelle. Die Mitreisenden aus der Wirtschaft würden ausschließlich nach fachlicher Kompetenz und Expertise ausgewählt. Auch bei Ministerpräsidenten oder Landesministern werde vor Reisen so verfahren. Offenbar werde in dieser Frage mit zweierlei Maß gemessen.
Auf Kritik stößt auch die Reisebegleitung durch Westerwelles Lebenspartner Michael Mronz. Mronz, seinerseits Sportveranstaltungsmanager, war auch in Südamerika mit von der Partie. In Brasilien, der letzten Station der Reise, finden 2014 die Fußball-WM und 2016 die Olympischen Spiele statt. Westerwelle beteuerte indes, dienstliche und private Belange seien stets streng getrennt worden. Mronz habe "nicht an einem einzigen politischen Gespräch teilgenommen". Stattdessen habe er vier soziale Projekte in Armutsvierteln in Chile besucht und private Spendengelder übergeben. In Anspielung auf seine homosexuelle Beziehung sagte Westerwelle: "Ich frage mich gelegentlich mal, ob das in anderen Konstellationen wirklich so kommentiert worden wäre von der Opposition."
Unterstützung vom Koalitionspartner
Immerhin steht Westerwelle nicht ganz allein da. Nebst Rückhalt aus der eigenen Partei erhält Deutschlands Vizekanzler auch Unterstützung vom Koalitionspartner CDU/CSU. Bundeskanzlerin Angela Merkel sei überzeugt, dass Westerwelle die ihn begleitenden Wirtschaftsdelegationen in Übereinstimmung mit den geltenden Regeln ausgewählt habe. Für "absolut in Ordnung" hält CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder Westerwelles Verhalten. "Die Reaktion in Teilen der Öffentlichkeit grenzt an eine Hetzjagd", meinte Mißfelder gegenüber der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". FDP-Generalsekretär Christian Lindner sprach von Rufmord. Westerwelle selbst spricht von einem verleumderischen Manöver und einer parteipolitischen Kampagne. Die Attacken kämen ohnehin nur, weil der Opposition die politischen Argumente ausgehen würden. "Deshalb versuchen sie es jetzt mit persönlichen Attacken gegen mich und meine Familie."
Aber Westerwelle lässt sich nicht beirren. Auf seinen Reisen lässt er sich nicht nur weiterhin von ausgewählten Geschäftsleuten begleiten. Auch auf seinen Lebenspartner werde er weiterhin nicht verzichten. "Ich freue mich, dass sich Herr Mronz die Zeit nimmt, mich auf eigene Kosten zu begleiten, um sich in der Region über soziale Probleme zu informieren und dafür zu engagieren. Das wollen und werden wir fortsetzen."