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Junge Generation leidet immer weniger an der Volkskrankheit - allerdings nur in gebildeten Schichten. | Wien. Keine Frage, die Menschen werden immer älter: In Österreich sterben die meisten Männer im Alter von 85 Jahren (3887), die meisten Frauen mit 87 Jahren (4821). Das zeigt die aktuelle Sterbetafel der Statistik Austria (2009). Fast die Hälfte der Todesfälle in diesem Jahr geht auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurück (33.223 von insgesamt 77.381). Krankheiten des Herzens und des Blutkreislaufs verursachen somit eineinhalb Mal mehr Todesfälle als der gefürchtete Krebs.
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"Die Wahrscheinlichkeit, einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu erliegen, steigt mit zunehmendem Alter", betont Irene Lang, Präsidentin der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG). Die Ursachen liegen in Gesundheitsschäden aufgrund von falscher Ernährung, zu wenig Bewegung und Stress. Das Phänomen ist mittlerweile nicht mehr eines der Wohlstandsländer, sondern ist in vielen Gebieten der Dritten Welt ebenso häufig wie hierzulande. "In diesen Ländern rauchen die Menschen mehr und haben mehr sozioökonomischen Stress aufgrund von Geldmangel, einem harten Überlebenskampf und bevölkerungsinternen Spannungen", erklärt Lang.
Erste Manifestationen einer Herz-Kreislauf-Erkrankung durch Herzinfarkt oder Schlaganfall können bereits zwischen 27 und 40 Jahren auftreten. Entsteht in der Folge eine Herzschwäche, "kann das innerhalb von zehn bis 15 Jahren zum Tod führen", sagt die Kardiologin. Sie räumt jedoch ein: "Bei der jüngeren Generation, die heute bis etwa 40 Jahre alt ist, treten Gefäßereignisse weniger häufig auf. Auch deswegen wird diese Generation älter werden."
Bedeutet das, dass die Volkskrankheit bald ein Problem der Vergangenheit sein wird, weil die Menschen sie durch eine gesunde, bewusste Lebensweise in den Griff bekommen? Nicht ganz: "Die Zahl der Fälle geht nur im akademischen Umfeld zurück. Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden daher zunächst an der Spitze der Todesursachen bleiben. Allerdings wird uns der Krebs nahe kommen, eben aufgrund der steigenden Lebenserwartung."
Medizinisch habe man das Erkrankungsbild so weit im Griff, dass "die Kreislaufmedizin der Zukunft" eine "Abnützungsmedizin" sein werde. Das heißt: Immer mehr Gefäße mit Abnützungserscheinungen können ersetzt werden. Ersatz-Herzklappen halten immer länger, Zell-Implantate werden alltäglicher.
Lang präsentierte am Dienstag vor Journalisten in Wien Methoden zur Wiederherstellung eines dysfunktionellen Herzmuskels für Patienten mit Herzschwäche. Forscher der Medizinuni Wien arbeiten daran, Zellen aus dem Knochenmark zu entnehmen und zu bestrahlen. Die bestrahlten Zellen werden in den Herzmuskel injiziert, was im Herz vorhandene Stammzellen aktiviert. Die erwachsenen Herzmuskel-Stammzellen teilen sich, wodurch sich der Herzmuskel erneuern könnte.
Ein anderes Wiener Team entnimmt Stammzellen aus dem Knochenmark, färbt sie, injiziert sie in den Herzmuskel und beobachtet, wo die Stammzellen anhaften. "Ein ungelöstes Problem in diesem Bereich ist, dass man die Stammzellen nirgends festhalten kann. Wenn wir einen Anhaftungsmechanismus finden, der nicht vom Immunsystem des Herzens ausgeschaltet wird, haben wir gewonnen", erklärt Lang.
Ein weiterer Schwerpunkt der Jahrestagung der ÖKG am Wochenende in Salzburg sind Arzneimittel zur Behandlung des Vorhofflimmerns mit Gerinnselbildung und extrem hoher Schlaganfallgefahr. Hier gibt es laut Kurt Huber, Chef der kardiologischen Abteilung am Wiener Wilhelminenspital, mit der neuen Substanz Dabigatran einen Thrombin-Hemmer, dessen Wirkung leichter zu kontrollieren ist als bisherige oral einzunehmende Blutverdünner.