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Die ethischen Probleme sind groß, die medizinischen Chancen, wie es scheint, ebenso: Stammzellen könnten in Zukunft Heilung bringen, wo medizinische Kunst bisher hilflos blieb. In einem konkreten Projekt haben Forscher aus Bonn und Köln jüngst Fortschritte erzielt, die sich als bahnbrechend erweisen könnten. - Es wird noch etliche Jahre dauern, bis daraus eine breit anwendbare Therapie werden könnte.
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Die Forschergruppe um den Chef der Bonner Herzchirurgie, Armin Welz, und den Kölner Neurophysiologen Jürgen Hescheler beschäftigen sich mit der Frage, wie durch einen Herzinfarkt verursachte Schäden repariert werden können. Ein Herzinfarkt entsteht dadurch, dass ein für die Durchblutung des Herzmuskels zuständiges kleines Blutgefäß verstopft. Das verursacht im betroffenen Gebiet einen Mangel an Sauerstoff, wodurch Herzmuskelzellen absterben.
Anders als beispielsweise Hautgewebe wachsen Herzmuskelzellen nicht nach, auch wenn die Durchblutung durch eine Bypass-Operation oder andere Maßnahmen wieder hergestellt wurde. Die Pumpleistung des Herzens wird dauerhaft vermindert, schlimmstenfalls so sehr, dass der Patient wegen mangelnder Durchblutung lebenswichtiger Organe stirbt, selbst wenn er den ursprünglichen Infarkt überlebt hat.
Eine Möglichkeit, dem zu begegnen, ist die Herztransplantation. Sie wird von Spezialisten heute fast routinemäßig bewältigt, ist aber immer noch sehr aufwendig - und sie erfordert, dass zuvor ein Mensch gestorben ist, der das passende Spenderherz liefert.
Die Forschung mit Kunstherzen hat in letzter Zeit Fortschritte erzielt. Ein dauerhaft einsetzbares künstliches Herz, das sich wie ein wirkliches Herz gleichsam automatisch auf unterschiedliche Belastungen einstellt, scheint aber auch noch Jahre entfernt.
Die eleganteste Methode wäre es, die abgestorbenen Herzmuskelzellen zu ersetzen. Die Transplantation normaler Muskelzellen aus dem Körper kommt nicht in Frage: Skelettmuskelzellen sind physiologisch anders aufgebaut. Sie ermüden nach kurzer Belastung, könnten die lebenslange gleichmäßige Pumparbeit der Herzmuskelzellen nicht leisten.
Hier kommen die Stammzellen ins Spiel. Aus diesen Zellen, die nach der Befruchtung des Eis entstehen, bilden sich alle Zellen eines Organismus. Erst im Verlauf der Entwicklung von Tier oder Mensch spezialisieren sich die Zellen nach dem in den Genen verankerten Bauplan, bilden Haut, Nerven, Knochen, Muskeln oder eben ein Herz. Sie sind als adulte Stammzellen noch vereinzelt im Knochenmark von Erwachsenen zu finden, was Rostocker Chirurgen jüngst dazu nutzten, sie einem Infarktpatienten in den Herzmuskel zu verpflanzen. Der Erfolg wird aber erst in einigen Monaten feststehen.
Gelänge es, aus Stammzellen im Labor gezielt Herzmuskelzellen zu züchten, könnten diese Zellen von den Ärzten in den geschädigten Bereich eines Herzens implantiert werden. Wenn sie dann auch noch einwachsen und wie normale Herzzellen funktionierten, wäre der durch den Infarkt verursachte Schaden repariert.
Die Forscher aus Bonn und Köln sind auf diesem Weg einen Schritt vorangekommen, dämpfen aber Hoffnungen auf schnelle Erfolge. Es werde noch mindestens zehn Jahre bis zur klinischen Anwendung dauern, sagte Hescheler. In Versuchen an 150 Mäusen konnten die Wissenschafter erstmals nachweisen, dass aus Föten entnommene, noch nicht endgültig ausgebildete Herzmuskelzellen in durch künstlich erzeugte Infarkte geschädigten Bereichen von Mäuseherzen anwachsen und ihre Arbeit aufnehmen.
Die Arbeit mit fetalen Herzzellen sei eine Machbarkeitsstudie, betonte Welz. Jetzt geht es für die Forscher darum, den Erfolg mit dem früheren Entwicklungsstadium, eben den Stammzellen, zu wiederholen. Da wartet auf die Wissenschafter eine ganze Reihe neuer Probleme. Zum Beispiel muss sicher sein, dass bei der Zucht von Herzmuskelzellen im Labor wirklich keine nicht spezialisierten Stammzellen mehr übrig bleiben: Diese könnten sich nach der Implantation sonst unkontrolliert entwickeln und Tumoren verursachen.