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Hessen: Linke für Ypsilanti

Von WZ Online

Europaarchiv

Lollar/Berlin. Die Linke im deutschen Bundesland Hessen will mit SPD und Grünen zusammenarbeiten und Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin wählen. Ein Landesparteitag beschloss am Samstag Eckpunkte für die Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung. "Es gibt keinen anderen Weg als Ypsilanti", sagte der neue Landeschef Ulrich Wilken. Im Vordergrund stehe die Ablösung von Ministerpräsident Roland Koch (CDU).


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Der Bundesvorsitzende Oskar Lafontaine kündigte an, eine linkstolerierte Regierung in Hessen werde sich im Bundesrat gegen Sozialabbau einsetzen. Ypsilanti forderte von den Linken Verlässlichkeit. CDU-Vize Christian Wulff stellte die Große Koalition im Bund infrage.

Unter Rot-Grün müsse es in Hessen einen grundlegenden Politikwechsel geben, sagte die Vize-Chefin der Linksfraktion im hessischen Landtag, Janine Wissler. "Konkret heißt das: kein Sozialabbau, kein Bildungsabbau und keine weitere Privatisierung von Landeseigentum." Daneben müsse ein flächendeckender Mindestlohn in Höhe von 8,44 Euro eingeführt werden. Der bisherige Vizechef der hessischen Linken, Ferdinand Hareter, sagte: "Von diesem Parteitag geht ein klares Signal aus: Wir wollen eine Minderheitsregierung, aber die gibt es nicht zum Nulltarif."

Gesamtschule

Das verabschiedete Positionspapier sieht neben der Wahl Ypsilantis den Ausbaustopp der Flughäfen in Frankfurt am Main und Kassel sowie die Schaffung eines öffentlich finanzierten Beschäftigungssektors mit bis zu 25.000 Arbeitsplätzen vor. Daneben will die Linke für Hessen die flächendeckende Einführung der Gesamtschule als Regelschule.

Zudem beschloss der Parteitag einen Fahrplan für die Verhandlungen mit SPD und Grünen über die Tolerierung einer Minderheitsregierung, an dessen Ende die Mitglieder der hessischen Linken in einer Abstimmung entscheiden sollen.

"Wir wissen, dass wir mit einem Stimmenanteil von 5,1 Prozent nicht die gesamte Politik bestimmen können", sagte Lafontaine. Die Wahlversprechen seiner Partei wären aber "nur Schall und Rauch", wenn es nicht zum Regierungswechsel käme. Ein Politikwechsel in Hessen würde deutliche Verbesserungen in der Sozial- und Schulpolitik bringen. Wenn Ypsilanti sage, sie wolle "ein Schulsystem, das kein Kind zurücklässt, dann trifft sich das vollkommen mit unseren Vorstellungen".

Bei der Wahl ihres neuen Landesvorstandes bestätigte die Linke ihre bisherige Linken-Landeschefin Ulrike Eifler mit rund 76 Prozent der Stimmen im Amt. Als Ko-Vorsitzender wurde Wilken gewählt, der sich in einer Kampfabstimmung gegen Hareter durchsetzte.

Neue Warnungen

Ypsilanti sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom Samstag, wenn sich die Linkspartei für die Duldung entscheide, "muss sie beantworten, wie sie das gewährleisten will". Sie zeigte sich unbeeindruckt von neuen Warnungen aus der SPD-Spitze und Umfragen, wonach zwei Drittel der Hessen ihren Kurs ablehnen. Ihre Wahrnehmung sei eine andere: "Wenn ich mit den Menschen in Hessen rede, auch in meiner eigenen Partei, dann wollen die immer noch den Politikwechsel."

Unterdessen ging einer von Ypsilantis Parteifreunden, der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck, auf Distanz zur Linken. "Das ist immer noch die selbe Partei, die uns vor zwei Jahrzehnten das Fiasko der abgewirtschafteten DDR hinterlassen hat", sagte er. "Es sind teilweise sogar noch genau die selben Leute, die heute nassforsch verkünden: Jetzt wollen wir auch mal wieder ran." In einer Zeit, in der inoffizielle Mitarbeiter und hauptamtliche Stasi-Offiziere der Meinung seien, sie hätten 40 Jahre lang eine segensreiche Tätigkeit vollbracht, müsse gegengehalten werden, erklärte Platzeck. Die Erinnerung an die DDR mit ihren grauen und kaputten Städte, der zerstörten Umwelt und der über dem Land liegenden Mutlosigkeit sei noch wach. "Ihr habt dieses Land vor die Wand gefahren 1989", sagte er an die Linkspartei gerichtet. "Und deshalb solltet ihr sehr nachdenklich sein, wenn ihr sagt, ihr seid jetzt auch mal dran. Ihr seid es nicht, mit Sicherheit nicht!"

Grüne Unterstützung

Grünen-Chefin Claudia Roth sagte am Sonntag in der ARD, sie unterstütze die hessischen Grünen in ihrem Vorhaben, eine Minderheitsregierung zu bilden. Eine Koalition mit den Linken und der SPD "steht nicht an in Hessen", fügte sie hinzu.

Wulff sagte der "Bild am Sonntag": "Wenn sich Frau Ypsilanti mit den Stimmen der Kommunisten zur Ministerpräsidentin wählen lässt, ist der Richtungswahlkampf eröffnet." Kein Mensch glaube der SPD dann noch, dass sie nicht auch im Bund mit der Linkspartei zusammenarbeiten würde. "Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in der großen Koalition kann ich mir so nicht vorstellen." Er warf zudem der Linkspartei vor, sich in die Nähe des Terrorismus zu begeben: "Die Linke flirtet weltweit mit Extremisten der PKK, der ETA, der Hamas, der Hisbollah."