Rascher Abschied des CSU-Vorsitzendedn käme für den CSU-Prinzen Söder ungelegen.
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München. (reu) Nach drei Wahldebakeln in Folge mehren sich in der deutschen CSU die Rücktrittsforderungen an Parteichef Horst Seehofer. Dem Absturz bei der Landtagswahl in Bayern gingen schwere Einbußen im Bundestag und im EU-Parlament voraus, im Mai steht die nächste Europawahl an. "Wir brauchen schnell einen neuen Parteivorsitzenden", fordert der Bundestagsabgeordnete Max Straubinger im "Münchner Merkur" und spricht damit vielen CSU-Mitgliedern aus der Seele. Doch ein rascher Wechsel brächte alle drei potenziellen Nachfolger in Schwierigkeiten. Weder für Markus Söder noch für Alexander Dobrindt oder Manfred Weber ist der Zeitpunkt günstig, nach dem Chefposten zu greifen.
Unter den drei Anwärtern hat lediglich Söder als bayerischer Ministerpräsident eine unangefochtene Machtposition. Dass die Partei mit ihm als Spitzenkandidaten vor knapp zwei Wochen ihr schwächstes Landtags-Wahlergebnis seit fast 70 Jahren einfuhr, hat ihm in der CSU nicht geschadet. Denn die Schuld sehen viele allein bei Innenminister Seehofer und dessen Streit mit Kanzlerin Angela Merkel und der SPD. "Der Parteivorsitzende trägt die Hauptverantwortung", fasst der Landtagsabgeordnete Jürgen Baumgärtner die Stimmung zusammen. Der Ministerpräsident hingegen sei dafür zu kurz im Amt. Und so schart sich die dezimierte CSU-Fraktion hinter Söder. Einhellig stimmte sie für seinen Verbleib im Amt, nachdem sie ihn erst im März zum Ministerpräsidenten gewählt und damit Söders Machtkampf mit Vorgänger Seehofer entschieden hatte.
Erlahmte Ambitionen
Doch Söders Ambitionen, die Geschicke seiner Regionalpartei mit ihrem bundespolitischen Anspruch zu bestimmen und damit an einer zweiten Front zu kämpfen, sind sichtbar erlahmt. Sein jüngster Ausflug in die Bundespolitik war nicht von Erfolg gekrönt: Als die CSU im Sommer den Koalitionsstreit über die Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze eskalierte, war er einer der Wortführer. Söder sprach vom "Endspiel um die Glaubwürdigkeit".
Doch als Seehofers Taktieren bis hin zur Rücktrittsdrohung das Bild der CSU beschädigte und die Umfragewerte sanken, ging Söder auf Distanz. Er schwieg auch, als Seehofer in die Kritik geriet, weil er seine schützende Hand über den umstrittenen Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen hielt. In Söders Wahlkampf war "Berlin" fortan nur noch das abschreckende Gegenmodell zu Bayern, das ein Hort von Wohlstand, Sicherheit und "Stabilität" sei.
In CSU-Kreisen wachsen Zweifel, ob der auf der Berliner Bühne unerfahrene Söder etwas gewinnen könnte, wenn er sich als Parteichef künftig um zwei Koalitionen kümmern müsste - zumal wenn CDU und SPD bei der Landtagswahl in Hessen am Sonntag schlecht abschneiden. Der Zwist im Bund könnte zunehmen, auch ein Ende der Koalition und Neuwahlen scheinen möglich. Söder hat wiederholt klargemacht, dass er seine Zukunft in Bayern sieht.
Spiel auf Zeit
In Berlin ist Landesgruppenchef Dobrindt die rechte Hand seines Mentors Seehofer. Als ehemaliger Generalsekretär und Verkehrsminister ist er kampferprobt. Doch an der Parteibasis ist der 48-Jährige weit weniger vernetzt als Söder und Weber. Nun gerät Dobrindt zunehmend unter Beschuss der eigenen Truppe: Für seinen Rechtskurs schlug ihm sogar von CSU-Bundestagsabgeordneten Kritik entgegen. Während Söder sich für das Schlagwort "Asyltourismus" entschuldigte, beharrt Dobrindt darauf, dass die CSU sich um Wähler am rechten Rand bemühen müsse.
Weber dagegen verfolgt als EU-Abgeordneter einen liberaleren Kurs. Als Mann des Ausgleichs lehnt er Dobrindts Eskalationsstrategie ab. Damit stieg Weber im EU-Parlament zum Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) auf. Als sich das Wahldebakel in Bayern abzeichnete, trat er mehrfach an der Seite seines langjährigen Rivalen Söder auf. Seitdem wird in der CSU spekuliert, zwischen beiden gebe es eine geheime Absprache.
Webers Karrierepläne gelten jedoch als Hindernis auf einem Weg an die Parteispitze. Der Politiker will sich als EVP-Spitzenkandidat für die Europawahl aufstellen lassen und nach einem Sieg EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker beerben.
Seehofer, als CSU-Vorsitzender bis Herbst 2019 gewählt, spielt nun auf Zeit. Er schwor den Parteivorstand darauf ein, die Debatte über inhaltliche und personelle Konsequenzen zu verschieben, bis Söders Koalition steht.