Der ORF soll "entparteipolitisiert" werden. Auf seiner Unabhängigkeit zu beharren heißt aber, ihn auf Gedeih und Verderb den Launen der momentanen Belegschaft auszuliefern.
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Ein neues Volksbegehren, um den ORF zu "entparteipolitisieren" - das klingt auf den ersten Blick natürlich gut. Manche mögen dabei an die 1960er denken, als das damalige ORF-Volksbegehren mittelfristig zu Gerd Bachers Installierung führte - dem Kanzler Josef Klaus noch am ersten Tag versprach, nie im ORF zu intervenieren. (Vielleicht besorgten das bloß andere für - oder auch gegen - ihn?)
Freilich: Mit der Unabhängigkeit verhält es sich ähnlich wie mit der Neutralität. Die entscheidende Frage lautet: Neutral für wen? In den 1960ern stand das Gros der Journalisten (vermutlich) rechts vom Durchschnitt der Bevölkerung. Damals war die SPÖ mit Recht skeptisch gegenüber den sogenannten unabhängigen Medien. Heute steht das Gros der Journalisten - dieser Befund ist empirisch abgesichert - weit links vom Durchschnitt. Das hat relativ wenig mit der SPÖ zu tun - in Helmut Kohls BRD war es nicht anders - und viel mit langfristigen Trends wie der "68er-Bewegung". Nur die ÖVP hat aus dieser Erkenntnis offenbar noch immer keine Schlussfolgerungen gezogen.
Als öffentlich-rechtliches Unternehmen gehört der ORF der Allgemeinheit. Deshalb ist es schwer vorstellbar, dass die Eigentümerrechte irgendwer anderer wahrnimmt als gewählte Volksvertreter, Politiker eben. Auf der Unabhängigkeit des ORF zu beharren, heißt, das größte Medienunternehmen des Landes auf Gedeih und Verderb den Launen seiner momentanen Belegschaft auszuliefern. Wenn es im Parlament heute eine satte Mitte-Rechts-Mehrheit gibt, in den ORF-Gremien hingegen nicht, so liegt das allein daran, dass die Bürgerlichen aus eigener Dummheit die Stimmen der Landeshauptleute in Salzburg und der Steiermark eingebüßt haben. Das kann und wird sich auch wieder einmal ändern.
Will Sigi Bergmanns Partei hingegen den ORF den "Fachleuten", nämlich seinen Journalisten ausliefern, so wäre das eine mehr als großzügige Vorleistung auf die Schwarz-Grün-Koalition, zu der es mangels Mehrheit ohnehin nicht kommen wird. Möglich, dass man Josef Cap damit ärgern könnte. Fragt sich nur, ob das aus Sicht der ÖVP den ultimativen Linksruck wert ist? Im Vergleich mit so mancher Wahlkampfberichterstattung des ORF fallen SPÖ-Belangsendungen heute schon allenfalls durch ihre Zurückhaltung auf.
Solange der ORF ein politisch relevantes Medium ist, müsste man ihn eigentlich proporzmäßig aufteilen - dann steht jede Couleur wenigstens auch in der Verantwortung. Oder man privatisiert ihn.
Wie wäre es zum Beispiel mit einem "Management-Buy-Out"? Dann müssten die Herrschaften, an deren Ansprüchen der ORF finanziell zugrunde geht, sich entweder selbst wegrationalisieren oder bankrottgehen. Oder man verkauft ihn um den berühmten 1 Euro an Silvio Berlusconi. Der ist ja nun zweifelsohne ein Fachmann. Ich fürchte nur, als guter Kaufmann wird er da nicht zugreifen.
Lothar Höbelt ist Historiker an der Universität Wien.