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Heuchlerische Propaganda

Von Tamara Arthofer

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Tamara Arthofer
Tamara Arthofer ist Sport-Ressortleiterin.

Olympischer Geist, heiliger Geist? Das kann nicht einmal das IOC selbst glauben.


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So, jetzt aber: Lange hat das Internationale Olympische Komitee zu den Turbulenzen rund um den Weltfußballverband Fifa geschwiegen, nun wurde ihm das Treiben zu bunt. Hätte man zumindest glauben können. Immerhin war durchgesickert, dass sich die IOC-Granden bei ihrer Sitzung in Lausanne intensiv auch mit diesem Thema beschäftigt hatten. Und was fiel IOC-Präsident Thomas Bach dann auf der Pressekonferenz nach dem Meeting dazu ein? Man begrüße die "Bereitschaft für substanzielle Reformen" und ermutige die Fifa, "den Weg der Reformen, der offenbar schon initiiert worden ist, weiter zu gehen". Wenn das einmal kein Machtwort ist. In diesem Zusammenhang pries Bach dann noch einmal werbewirksam die eigene Herrlichkeit, betonte, dass die Kosten für die Spiele 2020 in Tokio gesenkt werden konnten und man künftig auch dank neuer Bewerbe mehr für die Frauen und die Jugend tun wolle. Eh super, das alles - und doch ein bisschen wenig. Abgesehen davon, dass man kein Wort über die Menschenrechtsverletzungen in China und Kasachstan, den einzigen verbliebenen Kandidatenländern für die Winterspiele 2022, verlor - sie hielten ihre Präsentationen im Übrigen am Dienstag entgegen aller Transparenzversprechungen unter Ausschluss der Medien ab -, können die Olympier nicht so tun, als ginge sie der Bestechungsskandal bei der Fifa nichts an. Zwar sind keine direkten Sanktionen gegen die Fifa, die ja nicht IOC-Mitglied ist, möglich. Aber die beiden milliardenschweren Sportorganisationen trennt weniger als die rund 170 Kilometer Luftlinie zwischen den Hauptquartieren in Lausanne und Zürich. Joseph Blatter beispielsweise ist ordentliches Mitglied, wenngleich er aktuell Besseres zu tun hatte, als an der Sitzung teilzunehmen; gegen ihn könnte die olympische Ethikkommission ohne Weiteres Ermittlungen aufnehmen. Aber das tut sie bekanntlich auch eher selten und nur dann, wenn die belastenden Indizien erdrückend werden. Wie etwa bei João Havelange, dem Vorgänger Blatters. Und obwohl bei ihm bekannt war, dass er im Zuge des ISL-Bestechungsskandals Millionen eingestreift hat, ermöglichte man auch ihm einen Abschied in Würde: 2011 trat er als IOC-Mitglied im Alter von 95 Jahren zurück - offiziell, weil ihm das Arbeitspensum als Mitglied auf Lebenszeit, das er bis dahin offenbar locker geschupft hatte, aus gesundheitlichen Gründen zu viel geworden sei. Andere Personen, die in den ISL-Ermittlungen genannt wurden, sitzen übrigens nach wie vor im IOC.

Vor diesem Hintergrund ist es heuchlerisch, der Fifa zu empfehlen, sich ein Beispiel am Reinigungsprozess des IOC zu nehmen, den man nach dem Korruptionsskandal rund um die Winterspiele 2002 in Salt Lake City eingeleitet hat. Zwar stimmt es, dass damals einige Maßnahmen im Kampf gegen Korruption ergriffen wurden: Zehn nachweislich korrupte Funktionäre mussten gehen, Mitglieder dürfen die Bewerberstädte nicht mehr besuchen, die Altersgrenze derer, die nach 1999 eingetreten sind, wurde auf 70 Jahre herabgesetzt und die Amtszeit des Präsidenten auf zwölf Jahre begrenzt. Das alles mögen wichtige Schritte sein. Vom heiligen ist der olympische Geist dann aber doch noch ein Stückchen entfernt.