Beim Abdullah-Zentrum ist Feuer am Dach. Die Schließungsdebatte ist voll entbrannt.
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Nachrichten über Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien schockieren regelmäßig die Welt. Der jüngste Fall, die Auspeitschung des Bloggers Raif Badawi, der kritische Texte verfasst hatte, ist nur die Spitze des Eisberges.
Strafen für Frauen, die es wagen, ein Auto zu lenken, Peitschenhiebe und Gefängnisstrafen für eine Gruppe junger, durchtrainierter Männer, die mit nacktem Oberkörper in der Provinz Kassim auf dem Dach eines Autos tanzten, fast wöchentlich stattfindende Enthauptungen nach dem Freitagsgebet in Riad - die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Geschehnisse wie diese rücken natürlich auch das König-Abdullah-Dialogzentrum (KAICIID) in Wien in ein schiefes Licht. Es wurde Ende 2012 mit viel Tamtam in der Hoffnung gegründet, damit einen Beitrag zur Verbesserung der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien zu leisten.
Passiert ist seither außer ein paar belanglosen Tagungen und Floskeln fast nichts. Dass ausgerechnet jenes Königreich, das laut Menschenrechtsorganisationen zu den sieben repressivsten Regimes weltweit gerechnet wird, das KAICIID finanziert und ein Brückenbauer zwischen den Kulturen und Religionen sein will, ist makaber. Angesprochen auf die Menschenrechtsverletzungen in Riad meinte die Vize-Generalsekretärin des Zentrums, Ex-Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, schon mehrfach gegenüber der "Wiener Zeitung", dass dies Medienberichte seien und sie es als Richterin gewohnt sei, sich in Akten einzulesen, und dies daher nicht beurteilen könne. Auch könne das Zentrum nicht über Staaten richten, ergänzte Bandion-Ortner, die vor wenigen Wochen auch mit der Aussage, dass "in Saudi-Arabien eh nicht jeden Freitag geköpft" werde, für allgemeines Kopfschütteln sorgte.
Nun scheint das Maß voll, und die Sache avanciert zur Causa Prima. Bundeskanzler Werner Faymann, Außenminister Sebastian Kurz, und Bundespräsident Heinz Fischer schalteten sich in die Debatte rund um Sinn und Unsinn des KAICIID ein. In Sachen Badawi intervenierte Fischer, ebenso wie viele Menschenrechtsorganisationen, direkt beim Königshaus. Das KAICIID schwieg. Außenminister Kurz schaltete in der Causa zudem EU und UNO ein.
Die Kritiker konnten nun zumindest einen Teilerfolg verbuchen, denn die saudi-arabische Justiz verschob eine weitere Auspeitschung Badawis tatsächlich. Was bleibt, sind ein laut den Kritikern heuchlerischer Dialog und Untätigkeit des KAICIID. Über eine etwaige Schließung wird daher eifrig diskutiert. Österreich kann diese nicht ohne Zustimmung der beiden anderen Gründerstaaten, Saudi-Arabien und Spanien, vollziehen. Die Republik kann nur die Neuwahl der Führung und den Beschluss eines Budgets blockieren.
Gründe für solche Schritte gibt es genug: In Saudi-Arabien bedrohen die Wahhabiten jeden, der von ihrer Auslegung des Islam abweicht, mit dem Tod. Während das KAICIID in Wien sich also als moderater Hort des Dialogs und der Interreligiosität gibt, haben es Christen und andere religiöse Minderheiten in Saudi-Arabien schwer. Sie müssen ihre Religion heimlich und still ausleben und sind gut beraten, nur nicht aufzufallen. Dem Vorwurf, dass mit der Finanzierung des Zentrums nur von der katastrophalen Menschenrechtslage im eigenen Land abgelenkt werden soll, kann kaum widersprochen werden.
Der 90-jährige, im Sterben liegende Namensgeber, König Abdullah, zahlt für das Zentrum 14 bis 16 Millionen Euro jährlich. Weder Kosten noch Mühen werden gescheut, um einen aufwendigen Betrieb mit hohen Gehältern und einem prunkvollen Alltag zu organisieren. Es wäre töricht zu glauben, dass auch jede noch so gut gemeinte Dialoginitiative am Wiener Schottenring dazu beitragen wird, dass in Saudi-Arabien weniger unschuldige junge Männer ausgepeitscht oder enthauptet werden. Dessen werden sich immer mehr Menschen bewusst.