)
Sant Adria de Besos - In Sant Adria de Besos, einer kleinen Küstenstadt in der Nähe Barcelonas, wurde Donnerstag früh der Stadtrat Jose Luis Ruiz Casado (42) von der konservativen Volkspartei erschossen. Hinter dem Attentat wird die baskische Separatistenorganisation ETA vermutet. Ruiz Casado ist heuer bereits das 13. Todesopfer des neu aufgeflammten ETA-Terrors und der sechste Politiker, der einem Anschlag der baskischen Separatistenorganisation zum Opfer fiel.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 24 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Ruiz Casado wurde nach Angaben der Polizei kurz vor 8 Uhr auf dem Weg zur Arbeit getötet. Der erste Schuss habe ihn hinter dem Ohr getroffen, hieß es. Als er zu Boden fiel, wurde er noch einmal in den Kopf geschossen. Augenzeugen sahen zwei Personen in einem Renault fliehen. Das Auto, das in Barcelona zugelassen war, fand die Polizei wenige Minuten später. Es war von den Tätern in Brand gesetzt worden, offenbar um Spuren zu verwischen. Ruiz Casado hinterlässt eine Frau und zwei Kinder.
Der Mord an Ruiz Casado geschah nur wenige Stunden bevor Regierungschef Jose Maria Aznar Donnerstag Vormittag zu einem Besuch in der katalanischen Hauptstadt Barcelona eintraf. Der Regierungschef der Region Katalonien, Jordi Pujol, sagte wegen des Attentats eine geplante Reise zur Expo in Hannover ab.
Der neuerliche ETA-Anschlag dürfte aber nicht nur mit dem Besuch Aznars in Barcelona zusammenhängen, sondern auch mit der jüngsten Verhaftungswelle gegen führende ETA-Mitglieder in Nordspanien und Frankreich und dem derzeit laufenden Prozess gegen den 1992 ebenfalls in Frankreich verhafteten früheren ETA-Chef Francisco Mugica Garmendia.
In Vizcaya, Guipuzcoa, Navarra und Madrid waren Mitte der Vorwoche 20 Mitglieder des politischen Arms der ETA Herri Batasuna (HB) festgenommen worden. Die Parteiquartiere in Bilbao, San Sebastian und Pamplona wurden durchsucht und umfangreiches Material sichergestellt, u.a. eine Liste möglicher Attentatsziele.
Am Wochenende hatte dann die französische Polizei mit mehreren Razzien zugeschlagen und insgesamt 17 ETA-Führungsmitglieder verhaftet, unter ihnen Ignacio Gracia Arregi, der als Nummer 1 der ETA gilt und die Meisterfälscherin Rosario Delgado Iriondo. Gracia Arregi ging der französischen Polizei in der südostfranzösischen Ortschaft Bidart ins Netz, wo schon 1992 sein mutmaßlicher Vorgänger Francisco Mugica Garmendia verhaftet worden war, der derzeit in Madrid vor dem Gericht steht. Er gilt als Drahtzieher von zwei besonders spektakulären Anschlägen, die am 17. Mai 1987 auf das Generalquartier der Armee und auf die Generaldirektion der Guardia Civil in Madrid verübt wurden. Damals wurde eine Frau getötet.
Der Donnerstag ermordete Ruiz Casado ist das vierte Todesopfer des ETA-Terrors, das die regierende Partido Popular heuer zu beklagen hat. Am 4. Juni waren im baskischen Durango der Stadtrat Jesus Maria Pedrosa, am 15. Juli in Malaga Stadtrat Jose Maria Martin Carpena und am 29. August in Zumarraga Stadtrat Manuel Indiano ermordet worden. Zwei Todesopfer hat die oppositionelle PSOE zu beklagen: Fernando Buesa Blanco, der am 22. Februar in Vitoria gemeinsam mit einem Leibwächter bei der Explosion einer Autobombe umkam und den ehemaligen Gouverneur von Guipuzcoa, Juan Maria Jauregui, der am 29. Juli in Tolosa erschossen wurde. Der ehemalige sozialistische baskische Justizminister Jose Ramon Recalde wurde am 14. September bei einem Schußattentat schwer verletzt.