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KSV erwartet bei Firmeninsolvenzen heuer Steigerung um zwölf Prozent. | Österreichische Praxis des Zwangsausgleichs "eine Erfolgsgeschichte". | Gerade in Krise wäre "GmbH light" falsches Signal. | "Wiener Zeitung": Ihre Branche ist wohl die einzige, die von der Krise wirklich profitiert? | Johannes Nejedlik: Jein. Zwar ist der Kreditschutzverband hinlänglich für seine Tätigkeit im Rahmen von Insolvenzvertretungen bekannt, hat daneben aber noch zwei weitere Geschäftsbereiche, nämlich Informationsdienstleistungen und Debitorenmanagement beziehungsweise Inkassoservices.
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Aber auch der Verkauf von Bonitätsinformationen und das Inkassoservice müssten doch eigentlich von der Krise profitieren?
Das sollte man glauben, aber Sie dürfen nicht vergessen, dass man Bonitätsinformationen vor allem dann einholt, wenn man neue Geschäftsverbindungen eingeht oder neue Aufträge von bereits bestehenden Kunden erhält. Und wenn die Auftragseingänge zurückgehen, was zuletzt zweifellos passiert ist, sinkt dadurch tendenziell auch der Bedarf an Wirtschaftsinformationen. Speziell im Exportbereich spüren wir das deutlich.
Und im Inkassobereich ist es zwar durchaus so, dass in Krisenzeiten versucht wird, Forderungen frühzeitiger einzutreiben. Aber in Krisenzeiten schaut man vielleicht noch stärker aufs eigene Geld und probiert es zuerst noch einmal verstärkt selbst.
Eigentlich würde man in Krisenzeiten annehmen, dass Unternehmen ihre Zahlungsziele stärker als normalerweise ausreizen. Erstaunlicherweise hat der KSV jedoch Mitte vergangenen Jahres bekanntgegeben, dass Ihren Statistiken zufolge die Zahlungsmoral aber sogar besser geworden ist.
Das war auch für uns überraschend, aber es gibt natürlich Antworten dazu. Man darf nicht vergessen, dass es nicht nur Schuldner, sondern auch Gläubiger gibt. Und da sind anscheinend die Daumenschrauben angezogen worden. Die Gläubiger haben in schlechteren Zeiten ihre Zahlungskonditionen verkürzt. In vielen Fällen ist es ihnen auch gelungen, auf Vorauskassa umzustellen, sodass paradoxerweise tatsächlich eine scheinbare Verbesserung der Zahlungsmoral eingetreten ist.
Bedeutet das, dass zahlreiche Unternehmen in guten Zeiten beim Eintreiben von Forderungen zu lax sind?
Für Lieferanten ist es sicher einer der Lerneffekte aus der Krise, dass es auch in der Zukunft sinnvoll sein wird, dieses Thema intensiver zu bearbeiten und ernster zu nehmen.
Die Insolvenzstatistik für das Jahr 2009 hat zwar einen deutlichen Zuwachs bei den Insolvenzen gezeigt, dieser war aber mit einem Anstieg von 9,2 Prozent bei den angemeldeten Unternehmensinsolvenzen nicht so vehement wie ursprünglich erwartet. Was ist die Ursache dafür?
Wir haben für 2009 ursprünglich eine etwas höhere Insolvenzerwartung gehabt. Wo der Anstieg aber tatsächlich schon fast dramatisch war, ist die Zahl der betroffenen Arbeitsplätze und vor allem die Summe der Passiva. Daran erkennt man, dass mehr größere Unternehmen betroffen waren.
Im laufenden Jahr werden die Insolvenzen aber wohl weiter zunehmen?
Das ist richtig. Man muss annehmen, dass die Steigerungsrate heuer mit etwa zwölf Prozent höher sein wird als 2009. Insolvenzen haben ja immer einen gewissen zeitlichen Nachzieheffekt, der einige Branchen jetzt sicher treffen wird.
Welche Branchen sind das?
Es wird beispielsweise sicher die Automobil-Zuliefererindustrie treffen. Und insgesamt wird es wahrscheinlich verstärkt auch mittlere und größere Unternehmen treffen, die vorerst möglicherweise noch von den Auftragseingängen der vergangenen Jahre gelebt haben und wo jetzt die Anschlussaufträge fehlen. Wir rechnen daher damit, dass heuer auch Unternehmen substanzieller Größe betroffen sein werden. Allerdings hat sich Österreichs Unternehmensstruktur, die ja von Klein- und Kleinstunternehmen geprägt ist, im internationalen Vergleich als vergleichsweise insolvenzresistent gezeigt.
Im internationalen Vergleich verfügen Österreichs Unternehmen traditionell über wenig, man könnte auch sagen, zu wenig Eigenkapital. Dieses Manko müsste sich in einer Krise eigentlich besonders nachteilig auswirkten.
Ja, das ist ein latentes Problem, ob mit oder ohne Krise. In manchen Branchen wie etwa dem Tourismus ist das ja geradezu fast traditionell. In diesem Zusammenhang ist es für uns auch schwierig zu verstehen, warum man gerade im Lichte der Weltwirtschaftskrise auch noch eine GmbH-Reform plant, die geringere Mindestkapitalanforderungen vorsieht.
Das Argument ist, dass es in anderen Staaten solche Gesellschaften mit geringer Kapitalausstattung gibt und Österreich diesbezüglich konkurrenzfähig bleiben soll.
Es gibt zwar beispielsweise in Großbritannien tatsächlich diese "GmbH light", allerdings im Insolvenzfall mit ungleich schärferen Sanktionen als bei uns: Etwa die Rückzahlung entnommener Gewinne sowie Geschäftsführergehälter, und involvierte Personen sind dann für die Dauer von 15 Jahren von ähnlichen Funktionen ausgeschlossen. Bei uns soll aber einfach das normale Insolvenzrecht gelten, was dann im Regelfall aufgrund der geringen Substanz Konkurse bedeutet, die mangels Masse abgewiesen werden.
Ist das auch als Kritik daran zu verstehen, dass das Insolvenzrecht in Österreich in den letzten Jahren etwas entschärft wurde, indem etwa der Tatbestand der fahrlässigen Krida nicht mehr existiert?
Nein, wir sind der Ansicht, dass es durchaus richtig war, dass die Krida-Tatbestände ein wenig zurückgenommen wurden. Noch vor ein paar Jahren konnte es geschehen, dass ein Richter einen insolventen Unternehmer verurteilt hat, weil dieser Geschäfte mit Russland gemacht hat, was das Gericht als fahrlässig ansah.
Und wie fällt Ihr Urteil über das bevorstehende Insolvenzrechtsänderungsgesetz aus?
Das IRÄG hat, wie es jetzt geplant ist, aus unserer Sicht sicher noch ein paar Ecken und Kanten, die abgeschliffen werden sollten. Und ganz so schnell wird die Umsetzung ohnedies nicht kommen. Aber im Kern ist das IRÄG, und deswegen waren wir auch nicht grundsätzlich dagegen, einfach eine Umsetzung von Tatsachen, die bereits längst Realität sind. Es gibt ja in Österreich kaum noch gerichtliche Ausgleichsverfahren, sondern hauptsächlich Zwangsausgleiche aus dem Konkurs heraus.
Weil der Zwangsausgleich eine zwischen Schuldner und Gläubigern zu vereinbarende Quote ermöglicht, die auch niedriger als die im Ausgleich vorgeschriebenen 40 Prozent sein kann?
Richtig. Dieser Umstand, der ohnehin schon längst Realität ist, dass wir nämlich variable Quoten haben, soll jetzt mit dem IRÄG in neuer Art und Weise in ein Gesetz gegossen werden. Wobei man dazu sagen muss: Das Modell des Zwangsausgleichs, das wir in Österreich leben, ist, so paradox es klingt, eine Erfolgsgeschichte. Im internationalen Vergleich liegen wir mit unseren durchschnittlichen Quoten von etwa 20 Prozent weit besser als etwa Deutschland, wo die Quoten im einstelligen Bereich liegen.
Wie sehen Sie die Entwicklung bei der Privatinsolvenz?
Das ist eine relativ junge Insolvenzform, bei der die historischen Erfahrungen noch beschränkt sind.
Die generelle Vermutung ist: Die Zahl der Privatinsolvenzen wird stark mit der Arbeitslosigkeit korrelieren.
Privatkonkurse haben allerdings auch während der wirtschaftlichen Hochkonjunkturphasen der letzten Jahre beständig sehr hohe Steigerungsraten gezeigt. Was aber vermutlich den Grund hatte, dass es eine relativ junge Insolvenzform ist. Zu Beginn waren es ja fast nur Unternehmer und Selbständige, die sich nach einem Unternehmenskonkurs wegen zuvor eingegangener Haftungen über einen Privatkonkurs entschuldet haben. Die echten Privaten haben erst etwas später begonnen, dieses Instrument in Anspruch zu nehmen. Das hat zu hohen Steigerungsraten geführt.
Jetzt könnte man natürlich die Ansicht vertreten, dass die Krise über steigende Arbeitslosenraten künftig auch Privatleute stärker treffen wird und daher die Zahl der Privatkonkurse steigen müsste. Aber da gibt es ein weiteres Paradoxon: Der Privatkonkurs ist in Österreich nicht so wie in anderen Ländern zum Nulltarif, sondern setzt eine gewisse Eigenleistung des Schuldners voraus. Und für die über sieben Jahre zu erbringende Quote braucht man ein Einkommen, was wiederum einen Job voraussetzt. Das heißt, wir glauben nicht, dass die Zahl der Privatkonkurse im gleichen Ausmaß wie die Arbeitslosigkeit steigen wird.
Zur PersonJohannes Nejedlik begann seine Tätigkeit für den Kreditschutzverband von 1870 (KSV) vor mehr als 35 Jahren in der Informationsabteilung, deren Leitung er 1991 übernahm. 1998 wurde Nejedlik in die Geschäftsführung berufen, 2001 zum Sprecher der Geschäftsführung bestellt.
2008 wurde die Struktur des Gläubigerschutzverbands neu organisiert. Der als Verein eingetragene KSV fungiert seither nur noch als Eigentümer der KSV 1870 Holding AG, welche die operative Geschäftstätigkeit koordiniert, die in zwei Tochtergesellschaften abgewickelt wird.
Nejedlik ist zudem Mitglied des Aufsichtsrats der Coface Central Europe Holding AG, an der die KSV 1870 Holding eine 25-prozentige Beteiligung hält.