)
Entscheidung in Causa Gerharter wird vorgezogen. | Wien. Im Bawag-Prozess könnte nach 101 Tagen der erste Urteilsspruch fallen. Richterin Claudia Bandion-Ortner kündigte am Dienstag an, heute, Mittwoch, das "Faktum Gerharter" aus dem Hauptverfahren auszuscheiden und entscheiden zu wollen. Dabei geht es um den Vorwurf der Untreue.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Ex-Bawag-Boss Helmut Elsner soll Ex-Konsum-Chef Hermann Gerharter 2002 einen 550.000-Euro-Kredit "im Plastiksackerl" übergeben und kurz darauf als uneinbringlich abgeschrieben haben. Gleichzeitig wurde Gerharters Konto mit einem negativen Saldo von 130.000 Euro glattgestellt. Während Gerharter geständig ist, streiten Elsner und der ebenfalls beschuldigte Peter Nakowitz alle Vorwürfe ab. Bei einer Verurteilung drohen ihnen bis zu zehn Jahre Haft. Im Fall Gerharters würde sich sein Geständnis strafmildernd auswirken. Erschwerend kommt hingegen seine Verurteilung wegen fahrlässiger und betrügerischer Krida im Zuge der Konsum-Pleite hinzu.
"Gerharter kann ein längeres Warten nicht zugemutet werden", begründete die Richterin ihre jetzige Entscheidung. Im Falle Einer Verurteilung wäre auch die Frage der Unverhältnismäßigkeit von Elsners Untersuchungshaft (bisher 15 Monate) hinfällig und kein Strafmilderungs- oder Enthaftungsgrund mehr. Ob das vorgezogene Urteil angesichts der Diskussion um die lange U-Haft von Elsner ein Zufall ist? Mario Schmieder, Anwalt von Ex-Bawag-Vorstand Johann Zwettler, beantwortet diese Frage mit einem vielsagenden Schmunzeln.
Peinliche Aktion
Der 100. Verhandlungstag bot noch weitere Überraschungen. Erst posierte Staatsanwältin Sonja Herbst mit einer Torte samt Wunderkerze, die zwei Journalistinnen anlässlich des Jubiläums mitgebracht hatten. Angesichts der Ernsthaftigkeit eines Prozesses eine zweifelhafte Aktion.
Dann überraschte Elsners Anwalt Wolfgang Schubert mit einem Befangenheitsantrag, den er gegen Staatsanwalt Georg Krakow bei der Oberstaatsanwaltschaft eingebracht hat. Krakow habe Ermittlungen um die Weitergabe von Vorerhebungsakten an "News" (eine Verletzung des Amtsgeheimnisses) unterbunden, so Schubert. Sein Antrag wurde jedoch abgewiesen. Der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Werner Pleischl, sah keinen Anlass, "die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit von Krakow im Bawag-Verfahren in Zweifel zu ziehen".
Ansonsten stand der Dienstag im Zeichen von Schuberts 1200 Fragen an Gutachter Kleiner. Dieser beantwortete Nummer 589 bis 679 - nicht ungestört. Auf eine wiederholte Zwischenbemerkung von Elsners Frau, die im Publikum saß, platzte der Richterin der Kragen. Sie drohte Ruth Elsner mit Rauswurf. "Das lass ich mir nicht länger bieten", so die Richterin.