Flüchtlinge zogen in Wiener Votivkirche.
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Knapp eine Woche vor Weihnachten und just am Internationalen Tag der Rechte der Migranten stand der Protest der Flüchtlingscamper kurz vor dem Ende: Nachdem die rund 60 Flüchtlinge die Votivkirche nicht wie von Pfarrer Joseph Faruggia gefordert um 18 Uhr verlassen hatten, wäre es beinahe zu einer Zwangsräumung durch die Polizei gekommen.
Deeskalierend wirkten Gespräche zwischen Caritas und den Aktivisten.
Man habe sich in einer ersten Runde darauf geeinigt, in jedem Fall eine friedliche Lösung zu finden, sagte Caritas-Sprecher Klaus Schwertner am Dienstagabend. Vorerst sollen die Asylwerber in der Kirche bleiben. Letzten Endes gewährte Faruggia den Flüchtlingen dann doch Zuflucht in seiner Kirche, so ein Polizeisprecher auf Anfrage der "Wiener Zeitung" kurz vor Reaktionsschluss, und kündigte an: "In den nächsten Tagen sehen wir weiter".
Caritas: "Die Kirche ist ein Ort der Zuflucht"
"Die Kirche ist ein Ort des Schutzes, ein Ort der Zuflucht", sagte der Sprecher der Caritas. Dafür garantiere man. Verhandelt werde mit Vertretern der Asylwerber nun so lange, bis ein Durchbruch erzielt sei. Es gehe vor allem darum, Deeskalation zu betreiben: "Wir nehmen die Ängste und Sorgen wahr."
Die Vorgeschichte: Vor drei Wochen waren rund 100 Flüchtlinge etwa 35 Kilometer von der Erstaufnahmestelle in Traiskirchen zu Fuß nach Wien marschiert. Seither hatten im Park vor der Votivkirche einige Dutzend Flüchtlinge für eine Verbesserung ihrer rechtlichen Situation campiert. Da bis zuletzt "nichts passiert" sei, zogen am Dienstag im Laufe des Tages etwa 60 Flüchtlinge und Sympathisanten in die Votivkirche ein. Dort wollten sie sich Gehör verschaffen, aber auch Zuflucht vor Wind und Wetter suchen.
Wenig positiv hatte darauf Pfarrer Faruggia reagiert; er wertete die Aktion nicht als Schutzsuche, sondern als Besetzung. Seiner Aufforderung, die Kirche bis 18 Uhr zu verlassen, waren die Demonstranten nicht gefolgt. "Wir haben uns bewusst gegen das Wort ‚Besetzung‘ entschieden, denn wir wollen kein Haus Gottes übernehmen", erklärte Clifford, einer der Flüchtlinge, am Vormittag. Sie berufen sich auf das Angebot des Pfarrers: Dieser hatte Anfang November angeboten, die Kirche könne von den Flüchtlingen zum Gebet genutzt werden. Dass in seiner Kirche aber mit Transparenten protestiert wurde, war "nicht abgesprochen", klagte der Pfarrer.
"Wir haben ein Recht auf unsere Zukunft"
"Es ist schwierig, das Camp jetzt zu schließen, manche können nicht mehr zurück und stünden auf der Straße", sagte Clifford. "Absurde Gerüchte", heißt es dazu aus dem Innenministerium: Weder würden sie von der Grundversorgung ausgeschlossen, noch bleibe den Flüchtlingen Traiskirchen verwehrt.
In der Votivkirche hatten am Vormittag die grüne Abgeordnete Alev Korun und SOS-Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak mit den Flüchtlingen über weitere Schritte diskutiert. "Wir wollen das Asylsystem ändern. Aber die es ändern können, haben keine Lust", sagt Pollak im Bezug auf das "unmenschliche" Dublin-II-System. Dazu die Flüchtlinge in einer Aussendung: "Wenn ihr unsere Forderungen nicht erfüllen wollt, löscht zumindest unsere Fingerabdrücke aus den Datenbanken und lasst uns weiterziehen. Wir haben ein Recht auf unsere Zukunft."
Zu der knapp verfehlten Zwangsräumung durch die Polizei äußerte sich Dechant Gerald Gump, Pfarrer der Diözese Wien: "Wir befinden uns in einer Zeit, in der die halbe Menschheit die Herbergssuche feiert und sie knüpfen dabei an eine gute, auch österreichische Tradition an", erklärt er in einer Aussendung. Und weiter: "Es wäre höchst an der Zeit, dass sich Österreich selbst darin ernst nimmt und Menschen, die in großer Not sind, aufnimmt und Herberge gewährt. Doch ich fürchte, Jesus hätte bei uns heute auch keine Herberge gefunden.