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Der Verbund hat kalte Füße bekommen und möchte das Aufgebot für die Stromehe mit der EnergieAllianz so rasch als möglich abbestellen. Zeigten sich die künftigen Ehepartner noch bis zum Sommer des Jahres als leidenschaftliche Verfechter des Zusammenschlusses, herrscht nun schon vor der Hochzeitsfeier Katerstimmung. Die Mitgift der Braut EnergieAllianz ist für den Bräutigam Verbund nicht mehr attraktiv genug.
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Von einer Liebesheirat war nie die Rede. Die Verbindung zwischen EnergieAllianz (Wienenergie, EVN, Energie AG OÖ, Linz AG und Bewag) sowie dem Verbund war eine von den Eigentümern - Bundes- und Landespolitikern - verordnete Sache. Der Verbund sträubte sich zu Beginn noch dagegen, gab dann aber seinen Widerstand wegen der Einsicht in die Unabwendbarkeit des Projekts auf.
Seit knapp drei Jahren wird von den sechs Beteiligten an der Österreichischen Stromlösung (ÖSL) gebastelt. Die Verträge hätten schon längst unterzeichnet sein sollen. Da brachte die von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein initiierte Strompreisprüfung Unruhe in die Angelegenheit: Nachdem Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl - er war in den Anfangszeiten übrigens ein Verteidiger der Stromehe - wochenlang öffentlich gegen die Strombranche gewettert hat, wurde die Wettbewerbsbehörde beauftragt die jüngsten Preiserhöhungen der Stromversorger auf Absprachen zu untersuchen. Am Montag wird der Bericht der Behörde präsentiert.
Damit eröffnete sich für den Bräutigam die Möglichkeit der Flucht. Die Prüfung gab ihm - obwohl er von dieser gar nicht betroffen ist - die Möglichkeit die abschließenden Verhandlungen mit der EnergieAllianz auszusetzen, das geschah Mitte September. Die Braut indes wollte den Flüchtenden nicht einfach ziehen lassen und hoffte auf ein klärendes Wort der Eltern alias Eigentümer. Doch bis auf wage Bekenntnisse, die Ehe nicht platzen lassen zu wollen, kam nichts.
Seit vorgestern macht der Verbund klar, dass er die Zukunft lieber alleine als in Gemeinschaft mit den fünf regionalen Versorgern verbringen möchte. Verbund-Vorstand Hans Haider distanziert sich unmissverständlich von der ÖSL mit der Begründung, dass die erwarteten Synergieeffekte von knapp 40 Mio. Euro nicht garantiert seien.
Den Ausstieg bereitete gestern auch Haiders Kollege Finanzvorstand Michael Pistauer vor, wenn auch auf wenig elegante Art, denn er gab zu verstehen, dass die Braut ihre Attraktivität verloren hat. Pistauers Begründung: "Heute sieht die Welt ganz anders aus, als noch vor drei Jahren." Damals galten als Gewinner der Liberalisierung die Versorgungsunternehmen mit Kunden (Allianz-Partner), die Stromproduzenten (Verbund) schienen die Verlierer zu sein. Doch das Blatt hat sich laut Pistauer gewendet.
Nun sind die regionalen Versorger wegen der Strompreisprüfung und der bevorstehenden Netztarifsenkung durch den Regulator in Bedrängnis geraten. Die Macht der Gesellschaften habe sich total verschoben, so sei nun der Verbund aufgrund seiner Kapitalstruktur erholt aus dem Liberalisierungsprozess hervorgegangen. "Wir haben alle Ziele erreicht und sind gestärkt, unser Partner ist unter Druck. Das wirkt sich auf die Verhandlungen aus. Außerdem sind die Synergien von 40 Mio. Euro nicht mehr gesichert." Pistauer will jedoch nicht alle Türen verschließen. Sollte die Mitgift der Braut wider erwarten doch noch erhöht werden, sei man nach wie vor gesprächsbereit.
Und weil es so gut in die derzeitige Verbundstrategie passt, gesteht Pistauer auch ein, dass mit der Stromehe der kaum vorhandene Wettbewerb gänzlich zum Erliegen gekommen wäre. Noch vor einem halben Jahr wäre ihm ein solches Bekenntnis nicht zu entlocken gewesen.
Der Verbund erkennt die Gunst der Stunde. Die öffentliche Akzeptanz für die ÖSL schwindet aufgrund der Kampagnen, das gibt Rückenwind für den Abschied. "Der Stromlösung werden die Geschäftsgrundlagen durch die derzeitige Diskussion entzogen. Selbst wenn wir in einer Blitzaktion die Verträge abschließen, müssten wir sie aufgrund des öffentlichen Drucks vielleicht wieder rückgängig machen." In der EnergieAllianz herrscht jedenfalls Staunen, ob der Fluchtversuche. Jetzt seien die Eigentümer aufgefordert eine Entscheidung zu treffen. Sollte die Ehe noch vor dem Vollzug scheitern, wurde viel Geld in der Vorbereitungsphase vernichtet.