Zum Hauptinhalt springen

Hickhack ums "Kraakverbot"

Von WZ-Korrespondent Tobias Müller

Europaarchiv
Traurige Clowns: Auch der originelle Protest konnte die ersten Zwangsräumungen nicht verhindern. Foto: ap

Proteste bei Zwangsräumung von drei Häusern in Amsterdam. | Berufungsgericht stoppt aber weitere großflächige Einsätze. | Amsterdam. Nicht nur wegen der süßlichen Schwaden der Haschisch-Zigaretten, die legal durch die Coffee-Shops ziehen, galten die Niederlande jahrzehntelang als Mekka für alternative Lebensmodelle und staatlich abgesegnete Freiräume. Auch in Sachen Wohnungspolitik zeigte man sich bisher tolerant. So wurde das Besetzen von Häusern geduldet, wenn diese mehr als ein Jahr leer standen und die Eigentümer diesen Zustand offensichtlich nicht zu ändern beabsichtigten. Als Straftat galt lediglich das Aufbrechen des Gebäudes. Um dies nachzuweisen, mussten die Besetzer jedoch auf frischer Tat ertappt werden.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

In der internationalen Hausbesetzerszene wurden die Niederlande auf diese Weise vor allem in den 70er und 80er Jahren zu einem Mythos. Doch ähnlich wie bei der nun nicht mehr ganz so freimütigen Handhabung von Cannabis droht nun auch dieser zu bröckeln. Mit drei besetzten Gebäuden in der Hauptstadt Amsterdam begann am Dienstag die umstrittene "erste Räumungsrunde". Unter diesem Namen war in den letzten Tagen der Plan bekannt geworden, das seit Oktober gültige Anti-Hausbesetzungs-Gesetz zügig umzusetzen.

Bereits am frühen Morgen war die Polizei angerückt, um die Häuser am Rande des Zentrums von Amsterdam zu räumen. Einige Dutzend Aktivisten protestierten zum Teil als Clowns verkleidet gegen die Räumungen und stellten sich den Beamten in den Weg. Vier Personen wurden festgenommen, weil sie Farbe und Steine in Richtung der Polizisten geworfen hatten. Genutzt hat der Protest freilich nichts. Am Mittag verkündete die Polizei, sie habe die Gebäude an ihre Besitzer zurückgegeben.

Anders als geplant geschah der Einsatz allerdings nicht auf Grundlage des neuen Anti-Hausbesetzungs-Gesetzes, sondern eines zivilrechtlichen Räumungsbeschlusses. Denn das als "Kraakverbot" bekannt gewordene Gesetz steht nach Ansicht eines Gerichtshofs in Den Haag im Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention. Laut dem Entscheid des Berufungsgerichts müssen die Hausbewohner nämlich die Möglichkeit haben, gegen eine geplante Räumung gerichtlich vorzugehen, was das "Kraakverbot" aber nicht vorsieht. Für die Hausbesetzer, die den Gerichtsbeschluss als "ersten Riss" in dem neuen Gesetz feierten, ist das zumindest ein kleiner Erfolg. Ursprünglich wollte Bürgermeister Eberhard van der Laan am Dienstag nämlich bis zu acht Objekte räumen, darunter das alternative Kulturzentrum Schijnheilig.

Ob der überraschende Erfolg aber nachhaltig ist, wird sich wohl erst in der kommenden Woche zeigen, wenn eine umfassende gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit von Zwangsräumungen erwartet wird. Das Verbot - zu Stande gekommen mit den Stimmen von christlichen und liberalen Parteien sowie der rechtspopulistischen Partij voor de Vrijheid (PVV) - trifft jedenfalls auf erheblichen Widerspruch. Bei Inkrafttreten am 1. Oktober war es in mehreren Städten zu heftigen Protesten gekommen. Auch viele linke und liberale Politiker sowie die Gemeinderäte mehrerer Großstädte sind nach wie vor dagegen, "Kraken" unter Strafe zu stellen.