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Hiebe und Liebe

Von Severin Groebner

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Severin Groebner ist Kabarettist, Autor und Gründungsmitglied der "Letzten Wiener Lesebühne". Sein neues Buch mit zahlreichen Kolumnen (unter anderem auch aus der "Wiener Zeitung") heißt "Lexikon der Nichtigkeiten" und ist im Satyr-Verlag (Berlin) erschienen.

Nichts ist, wie es scheint. Der Sido nicht. | Und die FPÖ schon gar nicht.


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Manchmal passiert so viel, dass man gar nicht mehr hinterher kommt. Jetzt hat doch tatsächlich der Sido dem Dominik Heinzl eine Faustwatschn verabreicht.

Natürlich wird sich daran in ein paar Monaten keiner mehr erinnern, sondern lieber den Schwertkampf Bucher gegen Stronach - live auf ATV! - verfolgen. Oder den Cage-Fight "ÖVP gegen die Realität" . Aber das ist noch Zukunftsmusik, denn jetzt reden alle über Sido versus Heinzl: "Ein Wahnsinn!", schreien die einen. "Warum hat der nur eine g’kriegt?", fragen die anderen. "Darf ich dafür jetzt den Sido hauen?", wollen Dritte wissen. Wenn das so weitergeht, sieht der Küniglberg bald aus wie Syrien. Wobei es aber noch nicht ganz klar ist, ob es sich dabei wirklich um eine "Watschn" gehandelt hat oder doch um eine "Tachtel", eine "Tetschn", ein "Nasenstüberl" oder ob der Heinzl hier simpel eine "betoniert" bekommen hat. Der Experte für heimische Gesichtsgewalt, Uwe Scheuch, schweigt dazu.

Was wahrscheinlich an der neuen Linie der Schwesterpartei FPÖ liegt. So hat doch der FPÖ-Chef Herbert Kickl seine Bauchrednerpuppe H.C. Strache öffentlich verkünden lassen: "Wir sind geleitet von der Kraft der Liebe. Wir handeln aus Liebe."

Hat man sich eigentlich immer schon gedacht. Sind ja auch eine hochamouröse Truppe, diese Freiheitlichen. Denn Liebe ist eine Urgewalt und umfasst so auch die Liebe zum Geld. Und damit kennt sich die FPÖ ja bestens aus.

So gesehen wird der kommende Sommer mit seinem Wahlkampf wahrscheinlich zum "Summer of Love" der FPÖ. Hunderte Burschenschafter mit vom Liebesspiel der Säbel gezeichneten Gesichtern werden sich singend vor der FPÖ-Zentrale versammeln und "If you’re going to H.C. Strache/ be sure to wear Pomade in your hair!" singen. Alte Herren tragen Kornblumen und fühlen sich wieder jung. Und orgiastische Love-Ins in Ried im Innkreis werden schließlich zur Neudeutung des Parteikürzels "FPÖ" führen: Fesche pudern öffentlich.

Und wenn diese libidinös gesteuerte Partei sich dann mal an die Macht geliebt hat, dann wird auch endlich das oberösterreichische Fucking Bundeshauptstadt. Und "Liebe ist alles" von Rosenstolz die neue Bundeshymne.

Spätestens dann wird die FPÖ endlich auch alle jene lieben, die bisher von ihrer Zuneigung verschont geblieben sind: Intellektuelle und Ausländer. Also griechische Philosophen etwa. So werden die Freiheitlichen dann bald auf Diogenes stoßen. Also jenen Mann, der - nachdem er auf einem Marktplatz öffentlich masturbiert hatte - gesagt haben soll: "Wie schön wäre es doch, wenn man auch durch das Reiben des Bauches das Hungergefühl vertreiben könnte!"

Und da wird plötzlich Erkenntnis in den Gesichtern aufleuchten, und die FPÖ-Granden werden beginnen, sich ausgiebig den Kopf zu streicheln. Inniglich. Ausdauernd. Liebevoll. In der Hoffnung, dass das doch helfen möge.

In diesem Licht betrachtet, war die Handreichung von Sido an Heinzl vielleicht ungestüm, ja ungeschickt, aber gar nicht so bös gemeint. Sondern als große Chance.