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Mit 69,9 Prozent höchster SPÖ-Wähler- Anteil in Österreich. | Überalterung: 43,2 Prozent über 60. | Aussterben droht: Nur zwei Geburten, aber acht Sterbefälle. | Hieflau. Donnerstag Mittag im inmitten des Nationalparks Gesäuse gelegenen obersteirischen Hieflau: 22 Kinder laufen aus der örtlichen Volksschule und freuen sich über das sonnig warme Wetter. Nur 22 Kinder - mehr Volksschulkinder gibt es in Hieflau nicht. Aufgeteilt auf zwei Lehrer werden die erste und zweite und die dritte und vierte Schulstufe gemeinsam unterrichtet.
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Nur noch 820 Einwohner zählt die zwischen dem Gesäuse, den Eisenerzer Alpen und der Enns eingebettete kleine Gemeinde. Vor fünfzig Jahren waren es noch 2003, im Jahr 1981 immerhin noch 1364, im Jahr 1991 noch 1162. "Wir sterben aus. Wir haben keine Kinder mehr. In den 60er Jahren waren in einer Volksschulklasse noch an die vierzig Kinder. Jetzt sind es nicht einmal mehr so viele in der ganzen Schule", sagt die 69-jährige Annemarie Weiklmeier betroffen. "Was sollen die Jungen denn bei uns tun? Wir haben keine Arbeit hier. Sie müssen weg - und wenn sie einmal weg sind, kommen sie nie wieder", meint der 81-jährige ehemalige Postamtsleiter Wilhelm Mandl.
Ältere wählen immer Rot
Die dominierende Partei in Hieflau war schon immer die SPÖ. Mit einem Wähleranteil von 69,9 Prozent konnte sie bei der Nationalratswahl 2008 in der Gemeinde sogar das beste rote Ergebnis österreichweit einfahren.
Die 55-jährige Gisela Steiner, die sich als SPÖ-Gemeindepolitikerin engagiert, glaubt, dass der hohe SPÖ-Wähleranteil vorwiegend auf die ältere Bevölkerung zurückzuführen sei: "Der wirtschaftliche Aufschwung ist in den 70er Jahren mit der SPÖ gekommen - die Älteren wissen das noch und wählen deshalb Rot", meint sie. Zudem setze sich die SPÖ sehr für die Bevölkerung ein. Auch Bürgermeister Günter Auer teilt diese Ansicht: "Der Raum Eisenerz ist noch von früher her rot. Es hat ja schon immer geheißen: Die Arbeiter wählen SPÖ. Wir sind hier überaltert und bleiben halt dabei". Ältere Menschen seien schließlich kaum Wechselwähler, fügt er hinzu. Die Jüngeren hier würden sich hingegen mehr in Richtung FPÖ orientieren. "Dem H. C. Strache fliegen sie ja regelrecht zu", sagt er ernst.
Seit der Erzabbau am steirischen Erzberg drastisch reduziert wurde und die ÖBB den früher wichtigen Bahnknotenpunkt Hieflau immer weiter abbaut - erst Anfang September wurde der Personenverkehr eingestellt - gibt es kaum noch Arbeitsplätze in der Region. Direkt in Hieflau beschäftigen lediglich das Bundesheer-Munitionslager und der Stromversorger Verbund noch rund 120 Menschen.
Keine Arbeitsplätze
"Der ganze Raum Obersteiermark leidet unter der hohen Arbeitslosigkeit", konstatiert Bürgermeister Auer. "Da kann es Hieflau nicht besser gehen, wo wir doch so weit weg sind von allem." Mit der "Abseits-Postion" von Hieflau habe es auch zu tun, dass es keine Arbeitsplätze gebe, meint Spar-Geschäftsleiter Wagenhofer: "Wir sind für große Firmen völlig uninteressant. Unsere Verkehrsanbindung ist schlecht. Oft sind die Zufahrtsstraßen im Winter sogar gesperrt." Man habe verabsäumt, die Infrastruktur auszubauen, fügt er hinzu. "Dagegen hätte man schon vor 20 oder 30 Jahren etwas machen müssen."
"Früher war - durch den Erzberg und die Bahn - viel los bei uns. Aber jetzt ist Hieflau für die Jugend traurig", sagt die 43-jährige Spar-Verkäuferin Karin Bauer. Mangels Perspektive müssen sie abwandern - übrig bleiben die Alten: 43,2 Prozent der Einwohner Hieflaus sind über 60 Jahre alt. Und auch sie werden immer weniger und hinterlassen ihre Häuser ihren meist an entfernten Orten lebenden Kindern und Enkeln. 87 gemeldete Nebenwohnsitze gebe es in Hieflau. Von insgesamt 330 Häusern werden 20 als Zweitquartier benützt. Die Geburtenrate ist niedrig. 2009 kamen bisher nur zwei Geburten auf acht Sterbefälle. Ähnlich sah es 2008 aus: Vier Kinder wurden geboren, zwölf Menschen sind gestorben.
Dass die Anzahl der Menschen stetig sinkt, spüren auch die wenigen verbleibenden Geschäfte. Noch sind Lebensmittel für den alltäglichen Bedarf im örtlichen Sparmarkt erhältlich, wie lange noch, bleibt offen. "Für einen kleinen Nahversorger ist es immer schwierig", meint der 39-jährige Spar-Filialleiter Armin Wagenhofer. "Man muss preislich ja mit den Großen mithalten", erklärt er. Um das Überleben des Supermarkts zu sichern, habe er auch die Post-Partnerschaft übernommen: "Wenn die Post nicht mehr im Ort ist, werden nämlich auch die Einkäufe woanders erledigt", fügt er hinzu. Die Schließung des Nahversorgers wäre vor allem für die Älteren, die nicht mehr mit dem Auto fahren können, problematisch. "Ohne Auto bist du hier verloren - die öffentlichen Verkehrsmittel hier sind zum Vergessen", erklärt der 49-jährige Trafikant Dean Vlastelic.
"Arbeit für Parteibuch"
Den hohen SPÖ-Stimmanteil in Hieflau sieht auch der Spar-Geschäftsleiter in der Struktur der Bevölkerung begründet: "Früher hat man ohne rotes Parteibuch keine Anstellung bei der Bahn bekommen", erzählt er. "Die SPÖ hat halt geschaut, dass die Jungen eine Arbeit kriegen - auch im Bergbau. Und früher hat es bei uns viele Eisenbahner und Bergarbeiter gegeben. Wir sind hier halt die klassische SPÖ-Wählerschaft." Vielleicht ändere sich aber jetzt, wo auch die Bahn nicht mehr zur Verfügung stehe, am Wahlergebnis etwas, ergänzt er.
Hoffen auf Arbeitsplätze und Geld in der Gemeindekasse lässt lediglich der Nationalpark. Man setzt auf den sanften Tourismus. In der landschaftlich malerischen Umgebung mit ihren oft auch im Sommer schneebedeckten Gipfeln und den glasklaren Gebirgsgewässern soll der stressgeplagte Städter Ruhe und Erholung finden.
Jene Ruhe und Naturschönheit, die die Hieflauer selbst so genießen. "Nur wenn dann niemand mehr da ist", meint der 17-jährige Verbund-Lehrling Kevin nachdenklich, "kann man die Ruhe und die Natur halt auch nicht mehr wirklich schätzen."