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"Hier bin ich Muslim, hier will ich’s sein"

Von Bernd Vasari

Politik

100 Jahre Islamgesetz - und noch immer fehlt die Akzeptanz.


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"Die Lebenswelt eines muslimischen Kindes unterscheidet sich nicht von der eines nicht-muslimischen", meint man beim MJÖ.
© © Stanislav Jenis

Wien. Unter dem Motto "100 Jahre Islam - 100 Jahre Bewegung" findet am Samstag das "Muslim Festival" im Vienna Austria Center statt.

Bisher wurde das Jubiläum nur von Entscheidungsträgern und Politikern begangen, auf die große Masse und vor allem die Jugendlichen wurden dabei vergessen, findet Saime Öztürk vom veranstaltenden Verein Muslimische Jugend Österreich (MJÖ). "Viele wissen gar nicht, dass es das Islamgesetz gibt. Wir wollen, dass die Leute das mitbekommen." Für das Festival haben die Rapper Ammar 114 und Nasihat Kartal einen eigenen Song beigesteuert, der mit einem sehr positiven Blick auf das Leben der Muslime in Österreich überrascht: "Bin immer wieder erstaunt, wenn ich sehe, wie Muslime hier ihr Leben aufbauen", heißt es. "Viele Muslime sind stolz, Österreicher zu sein, weil sie sich mit dem Land identifizieren." Die Rapper sind sich sicher: "Hier bin ich Muslim, hier will ich’s sein."

Ist in Wien also alles eitle Wonne? Viele junge Muslime kriegen wegen ihrer Religion nur schwer einen adäquaten Job, erzählt Rami Ali, Obmann der Ägyptisch-Österreichischen Jugend. Das gelte vor allem für Frauen mit Kopftuch. Oft werde man von der Mehrheitsgesellschaft damit konfrontiert, kein richtiger Österreicher zu sein, empört er sich. Gleichzeitig werde aber verlangt, sich zu integrieren. Das sei ein Widerspruch und werde nicht funktionieren. Im Gegenteil: Als Muslim werde man sich dann erst recht von der Mehrheitsgesellschaft abwenden. Er und viele andere Muslime hätten es satt, sich ständig verteidigen zu müssen, wenn der Islam wieder mit Terrorismus gleichgesetzt wird.

"Eigentlich nicht viele Gründe, um zu feiern"

Auch Saime Öztürk kennt solche Gefühle. "Oftmals werden Muslime automatisch mit Türken gleichgestellt", erzählt sie. Dabei unterscheide sich die Lebenswelt eines muslimischen Jugendlichen nicht von der eines nicht-muslimischen Jugendlichen in Österreich. Ein Schlüsselerlebnis hatte Öztürk in ihrer Schulzeit, als sie ihre Mitschüler befragte, ob Musliminnen in die Schule gehen dürfen. Das Ergebnis war großteils negativ. "Viele Mitschüler konnten sich das nicht vorstellen, obwohl ich als Muslimin mit ihnen sogar in dieselbe Klasse ging."

"Wir feiern 100 Jahre Islamgesetz, aber die Praxis sieht anders aus", sagt auch Abdi Tasdögen, Vorsitzender des 2011 gegründeten Jugendrates der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Seiner Ansicht nach sind die muslimischen Jugendlichen bereits integriert, nur die Mehrheitsgesellschaft tue sich schwer, sie aufzunehmen. "Es fehlt die Akzeptanz, das spürt man schon im Kindergarten." Muslimische Frauen hätten Probleme bei der Jobsuche, selbst wenn sie besser gebildet seien, kritisiert er. "Welche Firma will schon eine Frau mit Kopftuch anstellen? Erwünscht sind sie nur, wenn alle schon nach Hause gegangen sind, als Putzhilfe."

Das hat in Wien auch Rami Ali bei seiner Schwester erlebt. Bis sie als studierte Pharmazeutin einen Job in einer Wiener Apotheke fand, hatte sie alle Bezirke angeklappert. Absagen wurden überall damit gerechtfertigt, dass Kunden bei einer Frau mit Kopftuch fernbleiben würden. Die Blicke, die eine Frau mit Kopftuch im Alltag zudem ernte, seien weniger Verwunderung, sondern eher abwertend, sagt Ali. Viele hätten Angst davor, eine Frau mit Kopftuch anzusprechen. Das Islambild in Österreich sei in letzter Zeit auf keinen Fall besser geworden. Manche Leute seien mittlerweile schon fest überzeugt, dass der Islam schlecht sei. "Da kannst nichts mehr machen."