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Totgeschwiegen: Im Iran hängen 800.000 Jugendliche an der Nadel.
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Kabul/Teheran/Wien. Es ist kurz nach 15 Uhr. An der iranisch-afghanischen Grenze herrscht reger Betrieb. Wie immer wurden die iranischen Grenz-Milizen auch an diesem kalten Wintertag bei ihren Fahrzeugkontrollen fündig. "Meist schmuggelt die Drogenmafia Opium aus Afghanistan. Wissen Sie, laut der UNO leben zurzeit mehr als 200 Millionen Süchtige auf der Welt und konsumieren Opium, Heroin, Marihuana, Kokain usw., aber hier an dieser Grenze fängt das Übel an. Deswegen haben wir im Iran so viele Drogenabhängige. Daher müssen wir diesen Machenschaften einen Riegel vor die Tür schieben", sagt der erst 20 jährige Grenzsoldat Hadi M. im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Hunderte Tonnen von Drogen aller Art können durch die Grenzkontrollen abgefangen und aus dem Verkehr gezogen werden. Zwar ist der Iran wegen seines Atomprogramms im Visier der internationalen Gemeinschaft - für diesen, wie es heißt, "vorbildlichen Einsatz im Kampf gegen die Suchtmittel" gibt es aber immer wieder Lob für die iranische Führung von der UNO. Der Büroleiter des UN-Kommissariats für Drogenbekämpfung meinte, die iranischen Fortschritte bei der Drogenbekämpfung seien überwältigend. Nachsatz: "Ich würde mir wünschen, dass alle Länder in der Region so kooperativ handeln würden." Yuri Fedotov, der Generalsekretär der UNODC, ergänzte, dass Teheran sein Partner Nummer eins bei Suchtbekämpfung sei und zudem zahlreiche Tätigkeiten zur Verhinderung des Drogenhandels durchgeführt habe.
Unzählige Drogensüchtige
"In Iran gibt es eine wachsende Zahl junger Menschen, die Drogen nehmen. Die iranischen Gefängnisse sind voll von jungen Drogenkonsumenten. Teheran geht mit diesem Problem pragmatisch um: In allen Provinzen des Landes werden Methadon-Programme angeboten, auch in den Gefängnissen. Neue Spritzen und Nadeln werden ebenso wie Kondome unentgeltlich zur Verfügung gestellt", heißt es im UN-Bericht. Mit Drogen sei eine Unmenge von Problemen verbunden und die Dimensionen vielfältig, unterstrich 2012 auch der UN-Beauftragte Bernard Duil.
Die aktuellen Zahlen bestätigen seine These: Jährlich sterben laut Statistiken mehr als 250.000 Menschen an den Folgen des Drogenkonsums. Dazu kommt, dass das Durchschnittsalter immer mehr sinkt und immer mehr synthetische Drogen oder "Modedrogen", wie sie die junge Generation gerne nennt, konsumiert werden. "Der Profit aus dem internationalen Drogengeschäft beträgt jährlich 500 bis 700 Milliarden Dollar. Das meiste dieses schmutzigen Geldes gelangt durch Geldwäsche an die Börsen und dient dort der Drogenmafia weiter. Wir wissen genau, dass der Iran als Hauptroute für Drogenschmuggel von Afghanistan und Pakistan in die Türkei herhalten muss. Dementsprechend konsequent kontrollieren wir. Und als Abschreckung verbrennen wir auch immer wieder beschlagnahmte Drogen öffentlich", erklärt Hadi, der sechs Tage in der Woche am Grenzposten steht.
Afghanistan ist die Drehscheibe für den weltweiten Drogenhandel: Der jahrelange inner-afghanische Krieg, die Anwesenheit westlicher Truppen, die Wirtschaftsprobleme und die Tätigkeiten der Drogenmafia haben dazu geführt, dass der Anbau von Drogen in den letzten zehn Jahren auf das Vierzigfache gestiegen ist. Laut UN-Berichten werden heute 90 Prozent des Opiums auf der Welt in Afghanistan erzeugt. Jährlich werden hier circa 700 Tonnen Heroin produziert, und es ist auch der größte Erzeuger von Haschisch weltweit.
Problem Nummer eins
Durch die Nähe zu Afghanistan hat der Iran trotz der pragmatischen Drogenbekämpfung ein eigenes Drogenproblem: Die Behörden schätzen die Zahl der Drogensüchtigen auf rund vier Millionen, 800.000 von ihnen sollen an der Nadel hängen (der Iran hat rund 74 Millionen Einwohner). "Wissen Sie, wenn man in Mitteleuropa das Wort Iran hört, denkt man an den Atomstreit und an unseren Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad . Doch die größten Probleme - abgesehen von der Wirtschaftslage - sind die verdammten Drogen und Aids, diese werden von der Berichterstattung fast gänzlich verschwiegen", meint Bahador, 24, Jusstudent an der Teheraner Universität. "Wenn man jung ist, keine Arbeit hat und den ganzen Tag herumvagabundiert, dann ist man in dem Teufelskreis von Sucht und Abhängigkeit schnell drinnen", gesteht Bahador.