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"Hier gibt es keine Perspektive"

Von WZ-Korrespondent Ferry Batzoglou

Politik
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Abwärts: Die Mehrheit der jungen Griechen sagt, das Land bewege sich in die falsche Richtung.
© reu

Mindestlohn der unter 25-Jährigen sinkt auf 511 Euro brutto pro Monat.


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Athen. Aliki Konstantinou macht das, was im krisengeplagten Griechenland derzeit fast ein Drittel ihrer Alterskollegen tut: Deutsch lernen. Die 17-jährige Schülerin paukt an drei Nachmittagen in der Woche in einem privaten Sprachinstitut im gehobenen Athener Vorort Neo Psychiko Vokabeln, Grammatik und Orthographie. "Deutschland ist ein starkes Land mit guten Jobs. Hier hat die Jugend keine Perspektive", sagt Aliki.

So wie Aliki denken die meisten jungen Hellenen. Kein Wunder: Das Euro-Sorgenkind Griechenland steckt im sechsten Jahr der Rezession. Die Arbeitslosigkeit grassiert. Laut der Griechischen Statistikbehörde Elstat waren Ende des vorigen Jahres bereits 26 Prozent der Griechen ohne Job - Tendenz steigend. Besonders betroffen sind die potenziellen Berufseinsteiger: In der Altersgruppe 15 bis 24 Jahre haben fulminante 57,8 Prozent keine Arbeit, knapp acht Prozent mehr als ein Jahr davor - in Europa ist das der Negativrekord.

Doch auch wer in Griechenland 25 bis 29 Jahre alt ist, dem geht es auch nicht viel besser. In dieser Altersgruppe sind immerhin 39,4 Prozent der Hellenen erwerbslos. Die weitaus miesesten Jobchancen haben junge Frauen mit einer Arbeitslosenrate von fulminanten 65 Prozent. Ferner tun sich Personen ohne Schulausbildung schwer, einen Job zu ergattern. In dieser Kategorie haben 41,9 Prozent keinen Erfolg. Wer nun glaubt, mit einer Ausbildung an einer Technischen Universität sei man in Griechenland vor der Arbeitslosigkeit gefeit, der irrt gewaltig. Denn fast 30 Prozent der hellenischen TH-Absolventen gehen leer aus.

Brain Drain ins Ausland

Doch was ist gegen die Jobmisere unter den jungen Griechen zu tun? Die Arbeit billiger zu machen, hilft offensichtlich nicht, um die Arbeitslosigkeit effizient zu bekämpfen. Denn der ohnehin nicht gerade üppige Mindestlohn in Griechenland ist im vorigen Jahr um 22 Prozent auf nunmehr 586 Euro brutto pro Monat gesenkt worden. Speziell für Beschäftigte unter 25 Jahren fiel er sogar um 32 Prozent auf 511 Euro brutto pro Monat - auch das trägt augenscheinlich keine Früchte. Und: Mit so wenig Geld kommt man in Athen, Thessaloniki und Patras kaum über die Runden.

Was bleibt, ist eine Fülle von Job-Programmen seitens der griechischen Arbeitsagentur Oaed. Demnächst sollen landesweit 65.000 junge Griechen mit einer subventionierten ABM-Maßnahme für einige Monate Berufserfahrung sammeln können - eine Jobgarantie für die Zeit danach gibt es aber nicht. Obendrein sind die Stellenausschreibungen beim Staat seit dem Ausbruch der Krise Anfang 2010 überaus rar gesät. Der Grund: Griechenlands Geldgeber-Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds pocht auf die Faustregel, wonach künftig nur ein Posten beim griechischen Staat für zehn Abgänge (bis dato nur durch Pensionierungen) für Jobsuchende angeboten werden soll. Ziel ist es, den Staatsapparat bis 2015 um 150.000 Stellen zu reduzieren.

Angesichts derart trüber Berufsaussichten passt es ins Bild, dass 87 Prozent der jungen Griechen glauben, das Land "bewege sich in die falsche Richtung". Einer jüngst veröffentlichten Studie des Meinungsforschungsinstituts V-PRC zufolge blicken 80 Prozent der befragten Jugendlichen mit dem Gefühl der "Unsicherheit" in die Zukunft. Ferner finden 75 Prozent die Schulausbildung in Griechenland schlechter als im Ausland. Die Griechen charakterisiert indes weiter ein ungebremster Bildungshunger: Stattliche 61 Prozent wollen nach dem Schulabschluss eine Universität oder Technische Hochschule besuchen. Ebenso viele wollen dafür ins Ausland gehen. So wie Aliki Konstantinou.