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Hier zu viel Wasser, dort zu wenig

Von Julia Mathe

Politik

Unautorisierter UNO-Bericht: Schon bald wird der Klimawandel den Planeten drastisch und nachhaltig schädigen.


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Paris. Die globale Erderwärmung ist weit bedrohlicher als bisher angenommen. Sie habe bereits Auswirkungen auf "alle Kontinente und Ozeane". Man riskiere "gravierende, großflächige und unumkehrbare" Auswirkungen auf Mensch und Ökosystem, wenn es so weitergeht wie bisher, heißt es in einem UNO-Bericht, der durch eine undichte Stelle in die Hände der US-Nachrichtenagentur Bloomberg gelangt ist.

Dem Dokument zufolge erhöhte sich die Temperatur seit 1880 schneller als am Ende der Eiszeit, nämlich um 0,85 Grad. Selbst bei Einhaltung der von der Staatengemeinschaft geforderten Obergrenze von zwei Grad werde die Klimaerwärmung erhebliche Kosten verursachen, heißt es. Die Weltwirtschaftsleistung würde sich bis 2030 um rund zwei Prozent und bis 2100 sogar um fast fünf Prozent mindern.

Doch die Verluste stünden in keiner Relation zu den Kosten, die im Fall eines ungehemmt fortschreitenden Klimawandels anfallen würden. Eine dieser Konsequenzen sind die schrumpfenden Pole: Schmilzt Grönland gänzlich, würde der Meeresspiegel um sieben Meter steigen und Küstenregionen großflächig überfluten. Metropolen von Miami bis Bangkok, Inselstaaten von den Malediven bis Tuvalu wären somit Geschichte. Allein in den bedrohten Kleininselstaaten wohnen über 62 Millionen Menschen. Diese Gebiete "sind für weniger als ein Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich - dennoch leiden sie unverhältnismäßig stärker am Klimawandel", betont Achim Steiner, Chef des UN-Umweltprogramms UNEP. Schon jetzt sind die Auswirkungen spürbar: Überflutungen, Küstenerosionen und Zerstörungen durch Extremwetter-Ereignisse häufen sich. Auf Tuvalu ist die Lage schon so bedrohlich, dass kürzlich Klimaflüchtlingen ein Bleiberecht in Neuseeland gewährt wurde. Es war das erste Mal, dass der Klimawandel als humanitärer Notstand durchging.

Problem Tourismus

Hier zu viel Wasser, dort zu wenig: Über zwei Milliarden Menschen würden 2100 an Trinkwasserknappheit leiden, wenn man nicht ambitionierter vorgehe, warnt die OECD in ihrem Bericht, "Klimawandel und Tourismuspolitik". Die Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit geht darin von einer durchschnittlichen Erwärmung von zwei bis drei Grad aus. Die Studienautoren unterstreichen Gefahren durch die Tourismusindustrie, die geschätzte fünf Prozent zu den Treibhausemissionen beitragen soll. Mit 40 Prozent macht der Flugverkehr den größten Anteil aus. Wenn sich die Klimaschutzpolitik nicht ändere, würden sich Schadstoffemissionen aus dieser Branche in den kommenden 25 Jahren verdoppeln, heißt es. Das sei nicht vereinbar mit den Zielen der Staatengemeinschaft, die eine maximale Erwärmung um zwei Grad seit der Industrialisierung 1880 festgelegt hat.

Auch für die Autoren des UNO-Berichts steht außer Frage, dass die Temperaturen steigen - wie stark, hängt von den Bemühungen aller Staaten ab. Jedenfalls werde es dieses Jahrhundert noch zwischen 0,3 und 4,8 Grad heißer, was den Wasserstand zwischen 26 und 82 Zentimeter anheben werde.

Folglich läge es in den Händen der Regierungen, die Emissionen, die zur Erderwärmung beitragen, zu reduzieren. Doch "selbst wenn der Mensch keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäre bläst, würden viele Folgen des Klimawandels für Jahrzehnte weiterwirken", schreiben die Forscher. Man komme nicht darum herum, in technologische Lösungen zu investieren, wie die Ausrüstung zur CO2-Abscheidung und -Speicherung. Dabei werden die schädlichen Emissionen von Fabriken und Kraftwerken eingefangen, um sie unter der Erde zu lagern. Weiters solle man auf Wind- und Solarenergie setzen. Mit einem schlagenden Argument pochen die Autoren darauf, sofort aktiv zu werden: Eine Verzögerung der Maßnahmen bis 2030 käme um 44 Prozent teurer.

Vorlage für den Klimagipfel

Es ist wahrscheinlich, dass sich der UN-Bericht noch stark verändern wird, bevor er Anfang November offiziell wird. Er beruht auf mehreren 100 Studien und ist laut Bloomberg das bisher wichtigste UN-Dokument zum Klimawandel. Ziel ist, 190 Staaten dazu zu bewegen, beim Ende 2015 stattfindendenden Klimagipfel in Paris einen Nachfolgevertrag für das Kyoto-Protokoll zu unterzeichnen. Eineinhalb Jahre hat die UNO nun Zeit, um Überzeugungsarbeit zu leisten.