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High-Noon für Sarkozy und Royal

Von Alexander U. Mathé

Europaarchiv

Große Themen: Sicherheit und 35-Stunden-Woche | Royal geht auf die Person, Sarkozy gibt sich als Experte. | Paris/Wien. Wie ein Boxring erhob sich der quadratische Diskussionstisch im Fernsehstudio, nur zwei Meter trennten die Kontrahenten. Auge in Auge saßen die Gegner einander gegenüber, vor den Augen von rund 20 Millionen Zuschauern, die das Spektakel der Superlative verfolgten: Showdown im französischen Präsidentschaftswahlkampf.


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Seit Tagen bereits fiebern die Franzosen dem großen Fernsehduell zwischen dem konservativen Favoriten Nicolas Sarkozy und der sozialistischen Herausforderin Ségolène Royal entgegen. Nur einer von ihnen wird am 6. Mai den Sieg davontragen können und für die nächsten fünf Jahre Staatsoberhaupt sein. Am Mittwochabend war es endlich soweit zum ersten und bisher einzigen Mal trafen Sarkozy und Royal als Präsidentschaftskandidaten für eine direkte Debatte zusammen. Das Los entschied, dass Sarkozy das erste Wort haben sollte.

"Wir müssen die Konsequenzen aus dem politischen Tsunami ziehen, der Frankreich heimgesucht hat", prangerte Sarkozy in seinen Einstieg die Verhältnisse im Land an, nachdem das Referendum über die EU-Verfassung gescheitert ist und der rechts-extreme Jean-Marie Le Pen es in die zweite Runde der letzten Wahlen geschafft hat.

Royal hingegen verlor keine Zeit, um ihr Gegenüber anzugreifen. "Sie tragen teilweise die Verantwortung für die Situation, in der Frankreich sich heute befindet", sagte die Sozialistin. Die Gewalt die in Frankreich vorherrsche zeige, dass Sarkozys "Null-Toleranz"-Strategie nicht gegriffen habe. Auch fragte sie , warum die von ihm kritisierte 35-Stunden-Woche nicht von der konservativen Regierung abgeschafft worden sei.

Seine Politik sei durchaus erfolgreich gewesen entgegnete Sarkozy und erklärte zur 35-Stunden Woche: "Sie (Royal) ist in der sozialistischen Logik der Arbeitsteilung verwurzelt. Da gibt es eine gewisse Menge Arbeit, die wie ein Kuchen aufzuteilen ist und sie sagt, dass wenn niemand mehr als 35 Stunden arbeitet, wird dass die Unternehmer dazu zwingen mehr Leute einzustellen."

Die Taktiken der beiden Kontrahenten wurden relativ schnell offensichtlich. Royal versuchte mit persönlichen Angriffen und gesammelten Fakten Sarkozy in die Ecke zu treiben. Ihre offenbar minutiöse Vorbereitung, von Spickzetteln abgelesenen Daten, viele Einzelbeispiele und gelegentliches Stottern vermittelten jedoch manchmal den Eindruck einer eifrigen Schülerin.

Das kam Sarkozy entgegen, der wiederum versuchte den Eindruck eines Vater-Tochter-Verhältnisses aufzubauen. Mal nachsichtig, mal erklärend, dann wieder konziliant, wollte er sich als souveränen Experten darstellen, der gerne bereit war, auf den rebellierenden Sturm und Drang Royals Rücksicht zu nehmen. Mit diesem überlegenen Gehabe wusste Sarkozy zu punkten, wirkte dabei jedoch gleichzeitig arrogant.

Die Diskussion bewegte sich durchwegs auf hohem, spannenden und unterhaltsamen Niveau. Einziges Manko waren die starren Übertragungsregeln. Diese sahen vor, dass lediglich der Kandidat, der an der Reihe war, ins Bild gerückt wurde. Unmittelbare Reaktionen blieben somit offen, anders als beim Boxen sahen die Zuschauer bei einem gelandeten Schlag nicht, wie der Gegner einknickte.