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Hightech in der Männermode

Von Kurt Geisler

Reflexionen

Mode ist das Spiegelbild der jeweiligen Zeit. Das ist Alltagsweisheit. Doch welche Antworten geben die Kreativen aus der Branche auf das heutige Weltgeschehen, das einem den Atem verschlägt?


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Die Modedesigner reagieren auf Naturkatastrophen und Klimaprobleme recht unterschiedlich. Zum einen antworten sie auf sanfte Weise und zeigen immer mehr Naturbewusstsein. Das spiegelt sich vor allem in den Materialien wider: Sie setzen auf Naturprodukte wie Bio-Baumwolle, ohne Pestizide, ohne Schadstoffe, die Allergien und Ausschlag hervorrufen. Andere wiederum zeichnen ein Schreckensszenario, als wollten sie den Weltuntergang beschwören. Da präsentieren sie Pilotenjacken, Bomber-Blousons, Motorrad-Overalls, schusssichere Westen, Kampfstiefel, futuristische Raumanzüge oder Survival-Jackets. Zuletzt zu sehen auf den Mailänder Designerschauen. Eher wohl eine Gaudi für die Zeit nach dem großen Gau.

Futuristische Männermode. Auf den Modemessen werden zwar immer wieder Neuheiten vorgestellt, das ist sich die Bekleidungsbranche schuldig. Doch begnügt man sich inzwischen nicht mehr mit einem fröhlichen Wechselspiel von Formen und Farben, zumal bei den Herren. Seit ein paar Saisonen machen sogenannte intelligente Textilien in der Männermode von sich reden. Ganz auffällig war diese Entwicklung beim letzten Treffen der Branche auf der wichtigsten Messe für Männermode zu sehen, der Pitti Uomo in Florenz. Als dort eine Vorausschau auf den Sommer 2008 präsentiert wurde, konnten sich die Fachbesucher - neben den neuesten Entwicklungen in der immer leichter werdenden konventionellen Anzugmode - von teilweise futuristisch anmutenden Hightech-Feinheiten überzeugen, insbesondere im Bereich der Sportswear.

Da Männer ohnedies eher der Technik zuneigen als der Mode, kann man hier fast von einer revolutionären Innovation - oder einer innovativen Revolution? - sprechen, wenn technische Raffinessen in den Anzug eingebaut werden. Da fühlen sie sich direkt angesprochen. Diese männliche Begeisterung für die Technik nutzen die Designer mehr und mehr. Vielleicht haben sie sich diesen Aspekt von den Autobauern abgeschaut, die wissen, dass nicht das Fahrzeug allein, sondern das richtige Zubehör und die gewissen Extras kaufentscheidend sein können.

Daneben zählt natürlich der psychologische Faktor: Da wird die Mode auf einmal maskulin!

Öko-Chic und raffinierte Technik. So laufen die Vorschläge generell in eine optimistischere Zukunft, im Gegensatz zu den düsteren Spielereien einiger überspannter Designer. Wahrscheinlicher werden die männlichen Konsumenten eher von Lösungen angesprochen werden, die im Bereich ihrer ganz persönlichen Vorlieben liegen: Outfits mit eingebauten Hightech-Elementen, mit außergewöhnlichen Funktionen oder mit schmeichelnd leichten Stoffen. Daran basteln nicht nur Designer, sondern auch die großen Konfektionsbetriebe, um auf die Erfordernisse der heutigen Zeit einzugehen.

Vor allem überraschen neuartige Materialien durch unvermutete Trageeigenschaften; sie verleihen der Männermode eine neue Wertigkeit.

Da gibt es federleichte Nylon-Blousons, Jacken aus Neopren oder Polyamid, gechintzte, feucht schimmernde Stoffe oder hauchdünne, waschbare Sakkos. Bemerkenswert auch eine Mischung aus Seide und Baumwolle mit einer neuartigen technischen Ausrüstung, die ein Kleidungsstück zu einem All-Weather-Jacket verzaubert: im Winter wärmend und im Sommer kühlend. Ein richtiger Klima-Regulator, zusätzlich Wasser und Flecken abstoßend. Und alles sieht auch noch schick aus. Oder sagen wir besser attraktiv?

Beheizbare Westen und Jacken. "Frieren gehört der Vergangenheit an", behauptet die in Herford ansässige Firma bugatti. Unter dem Namen "Heat & Relax" bietet sie eine beheizbare Weste, die über hochwertige, wieder aufladbare Lithium-Akkus (12 V/2400 mA/hr) Wärme erzeugt und dann über extrem dünne, unsichtbare Drähte im Inneren der Weste verteilt. Die Temperatur kann der Träger über ein Steuergerät selbst bestimmen. Trotz allem ist die Weste mit nur rund 200 Gramm ein echtes Leichtgewicht und kann sogar nach dem Entfernen von Steuereinheit und Akkus bei 30 Grad in der Waschmaschine gewaschen werden.

Weitere Beispiele, wie die Mode sich um das Wohlbefinden der Kunden sorgt: Jacken und Mäntel aus der neuen "Klima-Membran C-Change". Hier schließen sich, wie bei einem Tannenzapfen, bei kaltem Wetter die Poren des Materials, und die Wärme bleibt am Körper. Umgekehrt: Bei warmem Wetter öffnen sich die Poren und erhöhen die Atmungsaktivität. Das Material ist ein Direktlaminat, das zum großen Teil aus Baumwolle besteht und über eine Nano-Ausrüstung verfügt; diese produziert weitere Funktionen. Sie weist Schmutz und Wasser ab. Das Produkt bietet ebenfalls der westfälische Modemacher bugatti an.

Eine ähnliche Innovation stammt von der Schweizer Seidenweberei Weisbrod-Zürrer, die sowohl Männern als letztendlich auch Frauen Freude machen wird. Sie hat in einem neuartigen Verfahren Seidenstoffe kreiert, die sowohl Schmutz als auch Öl oder Rotwein abweisen können. Kein Malheur mehr, wenn beim Lieblingsitaliener mal die Tomatensoße oder ein Tropfen Wein auf die Krawatte spritzt. Mit einem feinen Wasserstrahl kann alles abgespült oder mit einer sauberen Stoffserviette abgetupft werden. Eine weltweit einzigartige Technologie mit Nano-Ausrüstung namens Cocoontec vermag die hochwertigen Produkte wie keine andere Ausrüstung zu schützen sowie Glanz und Struktur der Seide oder anderer Stoffe zu erhalten.

Solar-Jackets und Telefonieren aus dem Ärmel. Eine andere Hightech-Erfindung kommt aus dem IT-Bereich. Der italienische Modemacher "Zegna Sport" hat ein iPod-Jacket vorgestellt, das nicht nur Musik spendet, sondern auch das Telefonieren während des Joggens zulässt, ohne wählen zu müssen. Ist die Nummer einmal eingegeben, spricht man lediglich den Namen des gewünschten Telefonpartners in den Ärmel, und die Musik wird automatisch leiser. Erwähnenswert sind noch Solarjacken, die die Sonnenenergie für iPods und anderes nutzen.

Auch in Österreich wird das Thema vorangetrieben, nicht nur bei Berufsbekleidung. Elektronisch unterfütterte Kleidung kann viele Funktionen beinhalten und zum Beispiel auch im medizinischen Bereich die Überwachung übernehmen. Smart Clothes heißt hier jene Kleidung, welche die Integration von Elektronik in die Kleidung beinhaltet. Insbesondere die Hersteller von Skibekleidung verwenden traditionell Materialien, die absolut wasserdicht und atmungsaktiv wie auch strapazierfähig und pflegeleicht sind.

Noch etwas: Künftig gibt es keinen Ärger mehr mit Falten. Funktionsjacken und -mäntel, die in den Koffer gequetscht, ins Auto gestopft oder beim Tragen verknittert wurden, können durch leichtes Streicheln wieder glatt und gepflegt aussehen. Ein innovatives Hightech-Gewebe mit Shape-Memory-Effekt macht das bei bugatti möglich. Sozusagen ein "Formengedächtnis für Stoffe".