Jährlich werden in Österreich geschätzte 20.000 sexuelle Übergriffe verübt. Die Täter sind fast ausschließlich Männer. Die "Männerberatung Graz" bietet mit Unterstützung des Familienreferates der Stadt Graz ein gezieltes, langfristiges Therapieangebot, das männlichen Jugendlichen und erwachsenen Männern den Ausstieg aus der Gewaltspirale ermöglichen soll. Ziel der "Täterarbeit" - wie der Verein die Tätigkeit nennt - ist es, Verhaltensänderungen zu erarbeiten, um Wiederholungstaten zu vermeiden.
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Allgemeines Ziel der Tätigkeiten der Männerberatung Graz ist es, Lösungsansätze zu erarbeiten für Probleme, die sich aus dem spezifischen Verhalten von Männern ergeben: durch psychosoziale, medizinische und juristische Beratung, psychotherapeutische Interventionen und in der Gruppenarbeit.
"Im Regelfall nehmen Männer, die sexuelle Gewalt ausüben, nicht freiwillig mit uns Kontakt auf", erklärt der Grazer Psychotherapeut und Geschäftsführer der Männerberatung, Joachim Voitle. Daher sucht man in der Steiermark die intensive Zusammenarbeit mit allen involvierten Opferschutz-Einrichtungen und Strafbehörden. Nun können die Behörden (u.a. Gericht, Staatsanwaltschaft, Jugendamt) den Tätern eine Weisung oder die Auflage erteilen, sich einer Therapie zu unterziehen. Diesen Vorgang bezeichnet man als "Druckzugang".
"Die maximale Dauer der therapeutischen Intervention geht über drei Jahre mit einer wöchentlichen Sitzung", so Voitle. Gemeinsam mit dem Klienten werden in den psychotherapeutischen Sitzungen unterschiedliche Themen durchgearbeitet: Verschiedene Abwehrformen, die Herausarbeitung von Mustern körperlicher bzw. sexueller Übergriffe, die helfen, den Gewalt- oder Missbrauchkreislauf besser zu verstehen, bis zur Entwicklung eines Rückfallvermeidungsplanes. Jedem der zur Zeit 23 Klienten der Männerberatungsstelle wird ein Begleiter zur Seite gestellt. Dieser übernimmt sozialarbeiterische Aufgaben und sorgt für den notwendigen Informationsaustausch mit den kooperierenden Einrichtungen und Behörden.
Die Arbeit mit gewalttätigen Männern helfe, die hohe Zahl an Gewalttaten zu reduzieren, ist die Grazer Familienstadträtin Tatjana Kaltenbeck-Michl überzeugt. "Die soziale Realität von Männern ist von Einzelkämpfertum und Konkurrenz geprägt. In dieser Beratungsstelle erfahren gewalttätige Männer möglicherweise zum ersten Mal in ihrem Leben Solidarität und professionelle Hilfe", meinte Kaltenbeck.
Männerberatung via E-Mail
Mann hat keine Probleme, Mann löst sie nur - und das allein. Dieses maskuline Ideal wird vielen Jungen nach wie vor von Kindesbeinen an vermittelt. In schwierigen Lebenssituationen erweist sich diese Haltung oft als Hemmschuh.
Doch dieses Rollenbild wird auch von immer mehr Männern hinterfragt. Männer - vor allem jene zwischen 30 und 50 Jahren - sind offensichtlich verstärkt auf der Suche nach ihrer Identität. Volkshochschulen und ähnliche Einrichtungen bemerken derzeit ein reges Interesse an Männergruppen, die das "starke Geschlecht" im Selbstfindungsprozess unterstützen sollen.
Viele Männer scheuen jedoch davor zurück, eine Beratungsstelle aufzusuchen. Aus diesem Grund kann die Männerberatungsstelle Graz seit April 2001 auch via E-Mail kontaktiert werden. Als Portal dient die Homepage der Männerberatung Graz: http://www.maennerberatung.at .
Einzige Voraussetzung ist eine persönliche E-Mail-Adresse. Wer keine anonyme Adresse hat, kann sich hier eine besorgen. Die Antwort der Männerberater kommt innerhalb weniger Tage ins Haus.
Im vergangenen Jahr hat die Männerberatung laut Tätigkeitsbericht 2002 387 Beratungen via E-Mail durchgeführt. "In rund 90 Prozent aller Fälle ist der Beratungsprozess mit einigen wenigen E-Mail-Kontakten abgeschlossen", berichtet Detlef Scheiber, Klinischer und Gesundheitspsychologe und Leiter der E-Mail-Beratung. Besonders häufig begeben sich Männer zwischen 30 und 39 Jahren auf die virtuelle Coach.
Juristische Beratung im Konfliktfeld einer Scheidung (Vermögensaufteilung, Unterhalt, Sorgerecht für Kinder...) wird am häufigsten angefragt. Nicht immer ist die Vermittlung von juristischer Information ausreichend. "Hinter unversöhnlichen Fronten rund um Unterhalt, Sorgerecht oder Besuchsrecht der Kinder verbergen sich oft ungelöste Beziehungskonflikte", konnte Detlef Scheiber beobachten. Diese werden dann in der E-Mail-Korrespondenz zum Thema. Die emotionale Situation der Männer ebenso. Verletzungen, Trennungsschmerz, Trauer und Einsamkeit dürfen online zur Sprache kommen - oft zum ersten Mal.
Beziehungsarmut und mangelnde Gesprächskultur innerhalb einer Partnerschaft sind ebenfalls häufig Thema, ebenso wie sexuelle Funktionsstörungen oder Leistungsschwächen. Hier ist Anonymität besonders wichtig. Der Männerberater ist in der Regel die erste Person, der sich Männer mit sexuellen Problemen anvertrauen.
Auch Homo- oder Bi-Sexualität wird häufig online erörtert, wenn Mann selbst oder seine Umgebung ein Problem damit hat - was gerade bei Männern, die in ländlichen Regionen leben, häufig der Fall ist.
Information: "Täterarbeit" im Rahmen der "Männerberatung Graz", Bischofplatz 1, 8010 Graz. Tel.: 0316/83-14-14.
Infos im Internet und Beratung via E-Mail unter http://www.maennerberatung.at