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Der demokratische Rechtsstaat gilt zu Recht als herausragende zivilisatorische Leistung. Man kann sich darin aber auch verheddern, zumindest wenn man unbedingt will. Pragmatisches Improvisieren im Angesicht plötzlicher Not oder, wenn Menschen schnell Hilfe brauchen, zählt nicht unbedingt zu seinen größten Stärken. Die Probleme bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise sind dafür ein anschauliches Beispiel.
Die mit Liebe noch zum allerletzten Detail formulierten Bauordnungen schaffen es, das Aufstellen von Containern oder die Nutzung in die Jahre gekommener, aber durchaus funktionaler Gebäude zu verhindern. Improvisierte Küchen und Sanitäranlagen der NGOs verletzen mit Sicherheit die eine oder andere Bestimmung. Und wenn der Staat dringend Unterstützung aus der hilfsbereiten Privatwirtschaft braucht, kann man gewiss sein, dass davor eine europaweite Ausschreibung stehen müsste.
Das Wiehern des Amtsschimmels lässt sich wunderbar ins Lächerliche ziehen. Doch dahinter steckt ein Problem: Wer von den Staatsdienern sich beim Helfen nicht an die Gesetze hält, riskiert ein Verfahren wegen Amtsmissbrauchs. Und auch Managern droht der Untreue-Paragraph, wenn sie beim Helfen Regeln brechen.
Diese Probleme kann die Bundesregierung bei ihrem heutigen Asylgipfel nicht im Handumdrehen lösen. Aber sie kann durch eigenes Beispiel eine Botschaft setzen: Wer hilft, dem darf daraus kein Strick gedreht werden.
Ansonsten sind Taten der Koalition gefragt. Noch immer gibt es innerhalb des Kollektivorgans Bundesregierung ein Gerangel um Kompetenzen und Zuständigkeiten. Dass vier Ministerien bei der Organisation der Deutschkurse für die Flüchtlinge mitreden wollen, muss schnellstens abgestellt werden. Etliche Behörden - von den Asylämtern über das AMS bis hin zu den Jugendbehörden - brauchen zudem jetzt dringend mehr Personal und Ressourcen, damit der Arbeitsaufwand bewältigt werden kann.
Sicher, die Zeiten lassen sich nicht vergleichen. Aber wer je das Vergnügen hatte, mit Politikern der Aufbaugeneration zu sprechen, wird sich an deren Stolz erinnern, die damals ungeheure Not durch Geschick, manche List und unermüdlichen Einsatz gemeistert zu haben. Es wäre eine Tragödie, müssten wir uns dereinst eingestehen, an einer vergleichsweise überschaubaren Herausforderung gescheitert zu sein.