Deal könnte Verfahren platzen lassen. | UMP will drei Viertel des Schadens übernehmen. | Paris. Früher war alles besser - in diese Nostalgie verfallen viele von Präsident Sarkozy enttäuschte Franzosen. Populärster Politiker des Landes ist, anders als noch zu seiner Amtszeit, dessen Vorgänger Jacques Chirac. Doch hätte es unter ihm Affären wie die von dem Minister, der sich auf Staatskosten an Zigarren gütlich tut, oder den Parteispenden- und Steuerskandal um Arbeitsminister Eric Woerth und Milliardärin Liliane Bettencourt nicht gegeben? Gönnte früher die politische Riege sich und ihren Nächsten keine Privilegien?
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Das stellt ein Prozess am Jahresende in Frage, bei dem kein Geringerer als Chirac persönlich auf die Anklagebank kommen soll. Immunität genoss er nur bis 2007. Seit seinem Abtritt von der Staatsspitze ermittelt die Justiz. Aber er darf auf Hilfe von oben hoffen - von der konservativen Regierungspartei UMP mit Präsident Nicolas Sarkozy an vorderster Front.
Veruntreuung öffentlicher Gelder und Vertrauensmissbrauch werden dem 77-jährigen Gründer der UMP vorgeworfen. In seiner Amtszeit als Bürgermeister von Paris von 1977 bis 1995 soll er eine Reihe Gefälligkeitsjobs in seinem Büro geschaffen haben. Chauffeure, Bodyguards und Berater wurden vom Rathaus bezahlt, obwohl sie gar nicht für die Stadt arbeiteten - sondern meist für Parteifreunde. Weil ein Teil der Fälle bereits verjährt ist, bezieht sich die Anklage auf 21 fiktive Stellen zwischen 1992 und 1995.
Mit Chirac muss sich erstmals ein ehemaliges französisches Staatsoberhaupt einem Gerichtsverfahren stellen, er riskiert sogar eine mehrjährige Haftstrafe - theoretisch. Aber nicht wahrscheinlich.
Das Enthüllungsblatt "Le Canard Enchaîné" berichtet nun von einer Vereinbarung zwischen der UMP und dem sozialistischen Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë, nach der die UMP drei Viertel der Schadenssumme von 2,2 Millionen Euro übernehmen und die Stadt damit ihre Klage zurückziehen will. Da die Staatsanwaltschaft bereits signalisiert hat, die Anklage fallen lassen zu wollen, bliebe Chirac die Schmach eines Verfahrens erspart. In einigen Wochen soll noch der Stadtrat von Paris seine Zustimmung geben.
Beobachter gehen davon aus, dass Nicolas Sarkozy die Initiative der UMP unterstützt und sie Chirac im Juni bei einem Essen in einem Pariser Restaurant angeboten hat. Nun wird spekuliert, was dahintersteckt: Kollegialität unter (Partei-)Freunden - oder noch andere Interessen?
Steckt Sarkozy dahinter?
Indem er sich demonstrativ an die Seite seines beliebten Vorgängers, zu dem er seit langem ein angespanntes Verhältnis hat, könnte sich der von der Wählergunst verlassene Sarkozy in dessen Glanz sonnen. Noch vor seiner Wahl zirkulierte der Verdacht, Sarkozy habe Chirac versprochen, eine juristische Verfolgung zu stoppen, wenn er ihn bei seiner Kandidatur unterstütze - was der nach einigem Zögern auch tat. Sarkozy wies die Berichte als grotesk und verlogen zurück.
Andererseits befürchtet dem "Canard Enchaîné" zufolge ein Teil von Chiracs Umfeld, der Deal könne als Schuldeingeständnis interpretiert werden. Auch in der UMP gibt es demnach Bedenken, die Rechnung für illegale Scheinbeschäftigungen zu bezahlen. Der Wähler dürfte eine Regierung, die neben den eigenen, immer neuen Affären auch noch die alten Mauscheleien deckt, nicht goutieren.