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Das Kräfteparallelogramm hat sich zu Ungunsten der Griechen verschoben.
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Athen/Brüssel. Laut Brüssel und Washington bleibt alles beim Alten: Die EU-Kommission und der Internationale Währungsfonds (IWF) beharren auf dem Standpunkt, es gebe gültige Vereinbarungen für das griechische Rettungspaket. Hält Athen die Auflagen ein, erhält es die nächste Geldtranche. Und nur dann.
Die Zeit drängt. Noch im Juni muss Athen Einsparungen über 11,5 Milliarden Euro absegnen, um die Auflagen der Troika aus EU, IWF und Europäischer Zentralbank zu erfüllen. Ohne die nächste Lieferung aus dem zweiten Hilfspaket, das insgesamt fast 170 Milliarden Euro bis 2014 umfasst, wäre Griechenland Ende Juni pleite und könnte weder Beamtenlöhne noch Pensionen zahlen.
Die Coolness von EU und IWF ist wohl nur gespielt. Denn durch das politische Patt sind die Chancen auf Griechenlands Euro-Exit stark gestiegen. Willem Buiter, Chefökonom der Citigroup, taxiert die Wahrscheinlichkeit bereits auf bis zu 75 Prozent. Und das ist nicht die Meinung eines Analysten, der um Aufmerksamkeit heischt: Der frühere Notenbanker und Chefökonom der Osteuropabank EBRD genießt großes Renommee.
Schlechte Karten im Poker
Der Druck auf die griechische Politikerkaste ist somit gewaltig - schon die Entscheidung zu Neuwahlen würde den Terminplan zum Wanken bringen. Und Alternativen zum IWF-EU-Paket mit seinen verhassten Sparauflagen? Die sind nicht in Sicht.
Syriza-Chef Alexis Tsipras hat den Wählern Unmögliches in Aussicht gestellt, nämlich die Aufkündigung des Spar-Kurses, aber ohne Euro-Austritt. Damit werden sich die Griechen bei den europäischen Geldgebern blutige Nasen holen. Denn die Eurozone und die EU tragen das alleinige Risiko: Der IWF hat sich zusichern lassen, dass für Finanzierungslücken die Europäer aufkommen. Nur unter dieser Prämisse ist er als Financier an Bord geblieben.
Für einen Poker um gelockerte Spar- und Reformauflagen hat Griechenland ein schlechtes Blatt. Die Eurozone könnte es mehr denn je drauf ankommen lassen: Eine Staatspleite hat nach dem ohne große Verwerfungen verlaufenen Schuldenschnitt viel an Schrecken verloren. Die Banken müssten kaum zittern: Sie haben nach dem "Haircut" nur ein Viertel der Restschulden in ihren Büchern (siehe Grafik) - und die sind großteils wertberichtigt.
Zum Handkuss kämen als Großgläubiger somit vor allem die Zentralbanken und die Euro-Rettungsschirme. Der IWF genießt traditionell eine vorrangige Stellung, somit wären primär die europäischen Hilfskredite verloren.
Ein Hardliner als Eurochef
Je stärker Griechenland seine Reformunfähigkeit und -unwilligkeit demonstriert, umso eher könnten die Geldgeber dieses Ende mit Schrecken einem Schrecken ohne Ende vorziehen. Dass Athen dauerhaft am Eurotropf hängt, können und wollen Europas Politiker - allen voran beim Hauptfinancier Deutschland - ihren Wählern nicht verkaufen. Ein Euro-Austritt der Griechen ist in den EU-Verträgen zwar nicht vorgesehen, wohl aber ein EU-Austritt. Beides wäre wohl untrennbar miteinander verknüpft.
Für Griechenland wären die Folgen fatal. Die Rückkehr zur Landeswährung Drachme würde eine massive Abwertung bringen und unweigerlich die Staatspleite nach sich ziehen. Athen würde keine neuen Kredite mehr bekommen - von wem auch? Es müsste mit den laufenden Steuereinnahmen auskommen, eine riesige Finanzierungslücke wäre die Folge.
Die Eurozone hingegen hätte wohl weiter Bestand. Mittlerweile verfügen die Euro-Rettungsfonds über die nötigen Instrumente, um Ansteckungseffekte von Spanien, Italien, Portugal und Co. abzuschirmen.
Wenig Verständnis darf sich Athen vom künftigen Eurogruppen-Chef erhoffen. Der Nachfolger des Luxemburgers Jean-Claude Juncker wird wohl Wolfgang Schäuble heißen. Noch im März hatte der deutsche Finanzminister vor "Lehman 2.0" gewarnt, falls Griechenland pleitegeht. Kurz vor der Wahl drohte er hingegen, die Griechen hätten die Folgen zu tragen, wenn sie Parteien wählen, die nicht zu den Vereinbarungen stehen: "Die EU-Mitgliedschaft ist freiwillig", so Schäuble.