Berlin - Professionelle Helfer sind entsetzt von diesen Bildern aus dem Irak: Amerikanische und britische Soldaten werfen Pakete von Militärlastern, in der Menschenmenge kommt es zu Tumulten, verzweifelte Männer, Frauen und Kinder prügeln sich um Hilfsgüter. Unabhängige Hilfsorganisationen erheben mittlerweile schwere Vorwürfe gegen die Militärs: Nicht nur, dass die Kriegsparteien nicht in der Lage sind, der Zivilbevölkerung professionell zu helfen - sie wollten die gesamte humanitäre Hilfe im Irak unter ihre Regie bringen.
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Tatsächlich benötigen Hilfsorganisationen, die sich von Kuwait aus im Irak engagieren wollen, eine Genehmigung und Ausweise des Humanitarian Operation Center, einer in Kuwait ansässigen Einrichtung des amerikanischen Verteidigungsministeriums und der kuwaitischen Regierung. Viele Helfer sehen darin den Versuch, die humanitäre Hilfe im Irak nach den Interessen der US-Militärs zu steuern.
Die Ärztin Ute Watermann von den Internationalen Ärzten für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) spricht von einer "unerträglichen militärischen Dominanz und einer Funktionalisierung von humanitärer Hilfe". Und auch Dieter Garlichs, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland, warnt: "Humanitäre Hilfe kann nicht unter der Direktive der Militärs stehen." Den Soldaten fehle es nicht nur an Erfahrung und kompetenten Partnern vor Ort, sondern auch an Neutralität und damit an Vertrauen in der Bevölkerung.
Hans-Joachim Preuß, Generalsekretär der Welthungerhilfe, wertet den Zwang zur Zusammenarbeit mit militärischen Stellen als klaren Verstoß gegen den Grundsatz, dass humanitäre Hilfe strikt neutral sein und auf zivilen Wegen koordiniert werden müsse. Ebenso wie die IPPNW will sich die Welthungerhilfe den Anweisungen der Militär widersetzen. Die meisten Hilfsorganisationen hoffen darauf, dass nach dem Ende der Kämpfe so schnell wie möglich die Vereinten Nationen das Ruder übernehmen und die Hilfe koordinieren.
Während des Krieges sind nach der Genfer Konvention die Aggressoren für die Versorgung und das Wohlergehen der Menschen verantwortlich. "Die USA und Großbritannien müssen gezwungen werden, ihre Verantwortung zu übernehmen", verlangt der frühere Leiter des UNO-Hilfsprogramms für den Irak, Denis Halliday, der 1998 aus Protest gegen die Sanktionspolitik als UN-Koordinator des "Öl-für-Lebensmittel"-Programms zurückgetreten war.
Als einzige Hilfsorganisation hat nach der Genfer Konvention das Rote Kreuz ein Mandat, im Kriegsgebiet tätig zu werden. "Wir leisten nicht nur Hilfe für die Zivilbevölkerung, sondern sind auch die einzigen, die die Kriegsgefangenen besuchen dürfen", erklärt Fredrik Barkenhammar vom Deutschen Roten Kreuz. Das Kinderhilfswerk UNICEF hat noch rund 200 irakische Mitarbeiter in den Krisengebieten. Die Masse der Helfer steht jedoch in den Nachbarländern bereit, um Flüchtlingshilfe zu leisten oder nach Ende des Krieges ins Land zu kommen.