Zum Hauptinhalt springen

Hillary Clinton hat sich mit viel Gefühl zurück an die Spitze gekämpft

Von Alexander U. Mathé

Analysen

Der Champagner war schon kalt gestellt. Mit gewaltigem Vorsprung, so kündigten es die Umfragen an, sollte Barack Obama auch in New Hampshire die US-Vorwahlen der Demokraten gewinnen. Alles wartete nur noch gebannt auf die offizielle Verkündung des Sieges, um die Korken knallen zu lassen und den zu erwartenden Durchmarsch des afroamerikanischen Senators zu feiern. Doch es kam anders. Um 22:39 Uhr (Ortszeit) wurde die Sensation verkündet: Hillary Clinton gewinnt mit 39 Prozent der Stimmen, Obama erhält lediglich 36.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Während die Meinungsforscher vermutlich noch lange damit beschäftigt sein werden herauszufinden, warum sie dermaßen daneben lagen, kristallisieren sich schon jetzt einige Zutaten von Clintons Erfolgsrezept heraus. Manche von ihnen kamen erst in letzter Minute zum Einsatz, so dass sie sich in den Umfragen nicht widerspiegelten.

Essentiell war für die ehemalige First Lady, dass sie sich die Frauenstimmen zurückgeholt hat. Waren diese in Iowa noch mehrheitlich an Obama gegangen, so wählten in New Hampshire 47 Prozent der Frauen für Clinton. Das sind 13 Prozentpunkte mehr, als ihr Konkurrent verbuchen konnte. Das weibliche Elektorat macht fast 60 Prozent von Clintons Wählern aus. Möglicherweise hat ihr dabei eine Anfeindung am Vortag der Wahl ein wenig geholfen. Bei einer Wahlkampfveranstaltung schrieen ihr zwei Männer zu: "Bügeln Sie mein Hemd". Clinton parierte den Angriff souverän und konnte sich der Empörung und Solidarität vieler Frauen sicher sein.

Ebenfalls einen Tag vor der Wahl erklärte Clinton mit brechender Stimme und Tränen in den Augen vor laufender Kamera, wie leidenschaftlich sie ihre Visionen für dieses Land verfolge und wie schwer es sei, allen Unbilden zum Trotz weiterzukämpfen. Damit hat die als "Roboterkandidatin" verschrieene Clinton gerade rechtzeitig den Menschen in sich herausgekehrt. Sie verpasste sich mit dem Ausbruch das Bisschen an soft power, das ihr bisher gefehlt hatte.

Aber schon vorher lautete ihre Devise: Gefühle, Gefühle, Gefühle. Auch mit negativen Emotionen wusste die New Yorker Senatorin aufzuwarten. Zornig warf sie dem hervorragenden Rhetoriker Obama vor, ein Mann großer Worte zu sein, der sich jedoch nicht aufs Handeln verstehe. In der Folge lenkte sie die Aufmerksamkeit des Publikums wieder auf das, was unbezweifelt ihre Stärke ist: Fachkompetenz.

Letztlich dürften noch Gerüchte über ihren (unwahrscheinlichen) vorzeitigen Rückzug aus dem Rennen um das Präsidentenamt zusätzlich ihre Stammwählerschaft mobilisiert haben. Nun ist Hillary Clinton zurück im Rennen und wandelt auf den Spuren ihres Mannes, Ex-Präsident Bill Clinton. Auch er hatte 1992 nach einer Niederlage in Iowa mit einem guten Ergebnis in New Hampshire eine Aufholjagd begonnen.