Die Oberösterreicher beurteilen die Integration von Flüchtlingen bisher eher positiv, äußern aber auch mehrheitlich Bedenken.
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Linz. Die Stimmung ist gekippt, sie hat sich gedreht. Diese Diagnose wurde im vergangenen Jahr häufig gestellt, gerade auch was die Meinungen gegenüber Flüchtlingen betrifft. Sie hat nur mit der Realität relativ wenig zu tun. Davon ist zumindest Meinungsforscher Christoph Hofinger vom Sora-Institut überzeugt.
"Stimmungen verändern sich langsam, das passiert nicht von heute auf morgen", sagte er am Freitag bei der Präsentation des Integrationsmonitors Oberösterreich, den er mit seinem Institut im Auftrag des Integrationslandesrats Rudi Anschober durchgeführt hat. Diese Umfrage unter 704 repräsentativ ausgewählten Oberösterreichern zeichnet ein vorsichtig integrationsfreundliches Bild, das auch Anschober überrascht hat. "Ich habe ein negativeres Bild erwartet", sagte Anschober.
56 Prozent der befragten Oberösterreicher finden, dass die Integration von Flüchtlingen sehr gut oder eher gut funktioniert hat, 36 Prozent, dass sie eher schlecht oder sehr schlecht funktioniert hat. Befragt nach der eigenen Wohngemeinde ist das Bild noch positiver, da steht es 68 zu 27 Prozent. Die Schwankungsbreite der Umfrage liegt bei 3,7 Prozentpunkten.
Generell schneiden die Gemeinden als naheliegendste Institutionen in der Bewertung ihrer Arbeit am besten ab. Die ehrenamtlichen Helfer bekommen ein fast ausschließlich positives Zeugnis. Die Arbeit der Bundesregierung in Sachen Integration wird eher negativ, die der EU überwiegend negativ gesehen.
Generell ergibt sich aus der Umfrage ein differenziertes Bild. Gefragt nach den Auswirkungen von Zuwanderung, überwiegt lediglich in den Themenbereichen "Vielfalt und Offenheit des Landes" sowie "Wirtschaftswachstum" die positive Einschätzung. Für das Sozialsystem und den Arbeitsmarkt werden überwiegend eher schlechte Auswirkungen erwartet (53 beziehungsweise 52 Prozent).
Am negativsten wurden damit in Oberösterreich die Auswirkungen auf das Sozialsystem gesehen. In jenem Land also, in dem die schwarz-blaue Landesregierung eine Verschärfung der Mindestsicherung beschloss. Eine Bestätigung dieses Vorgehens will Anschober aber nicht aus der Umfrage herauslesen. "Dass diese Sorge da ist, ist berechtigt. Sie kann aber argumentativ relativ leicht entkräftet werden", meinte Anschober.
Ähnlichkeiten mit Zahlenfür ganz Österreich
Die Ergebnisse der Umfrage sind nicht ganz weit von jenen entfernt, die der Integrationsfonds für seinen Bericht "Migration & Integration 2016" für ganz Österreich erhoben hat. Dabei sagten 48 Prozent der befragten Österreicher, dass Integration sehr gut oder eher gut funktioniert, 52 Prozent waren der Ansicht, dass sie sehr schlecht oder eher schlecht funktioniert. Diese Befragung wurde im Februar und März durchgeführt, jene in Oberösterreich im Oktober und November. Berücksichtigt man regionale Besonderheiten, nähern sich die Ergebnisse noch weiter an. "Aus anderen Umfragen wissen wir, dass es in Oberösterreich tendenziell eine offenere Einstellung gibt als im Vergleich zum Österreich-Schnitt", erklärte Hofinger.
Zwar lässt sich auch aus diesen Daten die Polarisierung der öffentlichen Debatte herauslesen, von einem geteilten Land könne man aber nicht sprechen, so Hofinger. Schon gar nicht, wenn man sich die Detailergebnisse ansieht. Wenn man Antworten ein- und derselben Befragten vergleicht, ergibt sich, dass 46 Prozent durchgängig positive Einstellungen und 23 Prozent durchgängig negative Einstellungen vertraten, allerdings ganze 31 Prozent wechselnde, also in sich widersprüchliche Angaben machten. "Das deutet darauf hin, dass dieser Teil der Bevölkerung innerlich hin- und hergerissen ist", erklärte Hofinger.
Diese innere Zerrissenheit geht auch aus folgenden Zahlen hervor: 71 Prozent stimmen der Aussage zu, "es ist unsere Pflicht, Flüchtlinge aufzunehmen und menschenwürdig unterzubringen." Andererseits stimmen 46 Prozent der Aussage zu, dass Österreich seine Grenzen dichtmachen solle.
Großteil der Integrationsarbeit steht noch bevor
Es deutet auch darauf hin, dass die Meinungen zu diesem Thema noch nicht gefestigt sind. Ein Großteil der Integrationsarbeit steht noch bevor. "Wir wissen, das ist eine große Herausforderung und kein Selbstläufer", sagte Anschober. Der Grün-Politiker zeigte sich über die bundespolitische Debatte enttäuscht. "Im Integrationsbereich fühlen wir uns als Bundesländer teilweise ein bisschen allein gelassen. Wenn wir diese Aufgabe aber verschlafen, dann haben wir ganz viel verspielt", warnte Anschober.
Die bundespolitische Debatte konzentriere sich eher auf Ablenkungsfragen als auf die tatsächliche Arbeit, meinte Anschober und sprach direkt die beiden ÖVP-Ideen Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst und eine Senkung der Flüchtlingsobergrenze auf 17.500 an. Bundeskanzler Christian Kern hat sich im ORF-Fernsehen für eine Begrenzung der Zuwanderung, aber gegen eine fixe Zahl ausgesprochen.
Wenn man wisse, dass rund 14.000 Anträge aus dem vergangenen Jahr übernommen wurden und es wie aktuell hunderte Anträge pro Woche gibt, sei klar, dass die Obergrenze circa im Mai erreicht werde, rechnete Anschober vor. Die Umfrage soll nun ähnlich dem Jahresbericht des Integrationsfonds einmal jährlich Auskunft über die Stimmung in Oberösterreich geben. "Das ist für uns ein Radar, um zu sehen, wo Baustellen entstehen und es Kurskorrekturen braucht", sagte er.