Sportlich könnte die WM ein nie dagewesenes Niveau erreichen.
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Es wird also die beste WM aller Zeiten. Sagt zumindest der ranghöchste Fußballfunktionär der Welt, Gianni Infantino. Diese Worte des Fifa-Präsidenten, die wir in Katar wohl noch mehrmals zu hören bekommen werden, sollten wir jetzt aber nicht überbewerten - denn noch jeder Fifa-Präsident und noch jeder IOC-Präsident hat dies vor und nach Großereignissen als Gast gegenüber den Gastgebern behauptet - so korrupt und totalitär konnten diese gar nicht sein, um ihnen derart zu schmeicheln. Bei Katar weiß mittlerweile ohnedies jeder (in der westlichen Welt), was es geschlagen hat und dass der Rahmen sicherlich nicht dazu angetan ist, die 22. Fußball-WM zu den bleibenden Glanzlichtern des weltumspannenden Sports zählen zu dürfen. Vielmehr haben die ganzen Umstände der Wüsten-Winter-WM von Korruption über die toten Stadionarbeiter bis zu den nicht vorhandenen Menschenrechten im diktatorischen Islamregime dafür gesorgt, dass sich viele aus der globalen Fangemeinde angewidert abwenden und dem Spektakel via TV gleich gar nicht beiwohnen wollen.
Das könnte sich allerdings als Fehler erweisen. Denn abgesehen von der Grundsatzfrage, was denn die Spieler und deren Fans für das ganze Schlamassel können - nämlich nichts -, war ein Wegschauen der Weltöffentlichkeit noch nie das beste Mittel der Wahl. Blicken wir also lieber hin - auf den Platz und abseits desselben. Zumal uns auch sportlich einiges entgehen könnte - womit wir wieder bei der "besten WM" wären. Immerhin darf man heuer ein nie dagewesenes Niveau erwarten, zumal die Spieler das Turnier erstmals mitten in der Saison bestreiten. Und nicht nach deren Ende, wenn sie sich müde und ausgelaugt zur Endrunde schleppen (müssen). Und auch die konstanten Bedingungen in den klimatisierten Stadien bei maximal 25 Grad kommen den Kickern gewiss zupass - Hitzeschlachten im Juni (wie etwa 2014 im brasilianischen Amazonas) sind damit ausgeschlossen.
Das sollte sich vor allem auf die Frische der Spieler in der K.o.-Phase positiv auswirken, wo sonst viele schon wie angeschlagene Boxer in den Seilen hängen. Und erst dort warten die großen WM-Kracher, da der Vorrunde diesmal bis auf Spanien vs. Deutschland die großen Spiele fehlen. Große Spieler gibt es in Katar indes dafür zuhauf: Die dem WM-Titel hinterherhechelnde alte Garde von Ronaldo über Messi und Neymar bis zu den jungen Wilden Musiala, Fati, Leao und Co., die dem Turnier ihren Stempel aufdrücken könnten.
Man würde also durchaus etwas verpassen, wenn man die WM boykottierte. Außerdem gehört das Spiel nicht der Fifa und schon gar nicht Katar - sondern uns allen.