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Was mit dem Strom passiert ist, steht jetzt auch mit dem Gas bevor: Die Liberalisierung des Marktes in Österreich. Geplant ist dieser für die heimische Gaswirtschaft einschneidende Schritt ab 1. Oktober 2002. Doch ob bis zu diesem Termin auch ein tauglicher Gesetzestext vorliegt, steht für die Experten der Wiener Stadtwerke noch in den Sternen. Wie ein liberalisierter Markt für ein Produkt geschaffen werden soll, an dessen Ende quasi Monopole stehen, war Thema einer Veranstaltung, zu der die Wiener Stadtwerke eingeladen hatten.
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Die Europäische Union hat im Zuge ihrer Bestrebungen, einen für "jederman" frei zugänglichen Binnenmarkt zu schaffen, auch die sogenannten natürlichen Monopole Strom, Gas und Wasser ins Visier genommen. Die von der EU geforderte Marktöffnung sieht vor, dass Energielieferanten und Verbraucher einander frei wählen dürfen. Recht flott sollte dies für Stromerzeuger und Großkunden gelten. Für kleinere Abnehmer und Haushalte wurde die Liberalisierung nur schrittweise angedacht.
Österreich will bei der Erfüllung dieser Aufgabe unter den ersten sein. Deshalb arbeitet man im Wirtschaftsministerium schon fieberhaft am GWG II (Gaswirtschaftsgesetz). Sollte dieses noch vor dem Sommer beschlossen werden, seien nur noch drei Monate Zeit um 20 Verordnungen zu erlassen und ein Regelwerk zu schafffen, welches das Funktionieren des Gesetzes überhaupt gewährleistet, und deshalb fürchtet der Stadtwerke-Chef Karl Skyba, dass es sich nicht ganz ausgeht.
Damit stünden die Gasversorger am 1. Oktober vor einer fatalen Situation: Es gibt den geöffneten Markt, aber ohne brauchbare Rechtsgrundlage und obendrein fehlt ein Vergleichsbeispiel in Europa. "Die Unsicherheiten haben die Netzbetreiber und die Marktpartner zu tragen". Skyba befürchtet nach Begutachtung des Entwurfes sogar, dass sich eventuell verschiedene Passagen einschleichen, die verfassungswidrig sind. Im Brennpunkt der kritischen Experten stehen die Wirkungskartelle, der Sonderschadenersatz und der Sonderdatenschutz. Hier hatten die Gasversorger in den Stellungnahmen ihre Bedenken kundgetan. Skyba: "Wenn in Verfassungsrechte eingegriffen wird, werden wir sicher die Höchstgerichte anrufen." Denn mit rechtlichen Ungewissheiten und fragwürdigen Bestimmungen könnte die heimische Gaswirtschaft nicht effektiv arbeiten. Ein Hauptproblem der Gasmarktliberalisierung besteht darin, dass am Ende der Kette Oligopole stehen. Rund 70% der europäischen Gasmenge kommen aus Russland. Den Russen, mit denen es es langfristige Lieferverträge gibt, ist die von der EU vorgeschriebene Liberalisierung gleichgültig. Sie sitzen auf ihrer Ressource und können die Konditionen festlegen. Nicht nur aus diesem Grund ist für den Austria Ferngas-Chef Wilhelm Koutny "die Liberalisierung ein stählernes Korsett für eine bisher freie Tätigkeit".