Vieles, was in Chinas Führungsriege vor sich geht, ist selbst für jene ausländischen Beobachter, die sonst bestens informiert sind, ein Rätsel.
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Angesichts der US-Wahl sollte man auch einen Blick auf die politischen Veränderungen werfen, die sich im Moment in China hinter den Kulissen abspielen. Die Chinesen sehen sich der größten politischen Umstellung seit einem Jahrzehnt gegenüber: Präsident Hu Jintao ist im Begriff, die Macht an Xi Jinping zu übergeben, seinen seit langem bestimmten Nachfolger. Aber hinter dieser Fassade des Vorgekochten brodeln noch immer viele Schlüsselthemen rund um den entscheidenden Kongress der Kommunistischen Partei.
Man stelle sich vor, die USA hätten am Dienstag nicht nur über den Präsidenten und die Mitglieder des Kongresses abgestimmt, sondern auch über Größe und Reichweite der Exekutive, über die Kontrolle des Militärs und neue Verfassungsgesetze. Die chinesische Führung soll noch immer um all diese Themen feilschen. Verborgen hinter einem Vorhang aus Geheimniskrämerei nährt das Gerüchte und Tratsch.
Mit den anstehenden politischen Veränderungen werden die meisten Mitglieder des ständigen Ausschusses des Politbüro-Zentralkomitees und der Zentralmilitärkommission ausgetauscht. Erstaunlich ist daher, wie wenig selbst die bestinformierten US-Experten über die Vorgehensweise bei diesen Personalentscheidungen wissen.
In Anbetracht des chinesischen Mangels an Transparenz bleibt die Analyse all dieser geheimnisumwitterten Vorgänge hauptsächlich China-Beobachtern aus Regierungskreisen überlassen. Aber was in Peking in diesen Tagen auf dem Spiel steht, ist für die Welt wohl nicht weniger wichtig als die Wahl in den USA.
Hier einige der großen Fragen, die Experten verfolgen: Wie groß wird der ständige Ausschuss des Politbüro-Zentralkomitees sein? Laut Gerüchten soll er von neun auf sieben Personen verkleinert werden. Wird Chinas abtretender Präsident Hu seinen Sitz in der Militärkommission behalten? Sein Vorgänger Jiang Zemin behielt seinen Einfluss auf militärische Entscheidungen. Gerüchten zufolge könnte es jedoch auch hier zu Veränderungen kommen. Die meisten der zwölf Kommissionsmitglieder werden vermutlich ausgetauscht. Für Chinas Militär bedeutet des einen großen Umbruch.
Wird die Partei Änderungen in ihrer Verfassung in Betracht ziehen? Wird sie vielleicht erklären, dass die Partei dem Staat untergeordnet ist? Cheng Li, führender China-Forscher an der Brookings Institution, meint, es könne Erlässe geben, dass "die Partei unter dem Gesetz stehen soll statt über dem Gesetz".
Werden die Probleme von Korruption und Vetternwirtschaft in den Griff zu bekommen sein? Die Brüchigkeit unter der ruhigen Oberfläche chinesischer Politik wurde durch Enthüllungen deutlich, welch sagenhaften Reichtum die Parteiführer angehäuft haben.
Auf irgendeine Weise wird diese korrupte, geheimnistuerische Führung in den nächsten beiden Wochen den Kurs der weltweit zweitgrößten Wirtschaft festlegen müssen. Diese Anforderung lässt Wahldemokratie kinderleicht ausschauen, vergleichsweise.
Übersetzung: Redaktion
Dossier: Chinesischer Parteitag