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Hinter vorgehaltener Hand

Von Christian Mayr

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Der sich stetig weiterentwickelnde Fußball treibt nicht selten kuriose Blüten: Wer hätte vor zehn Jahren etwa gedacht, dass zur Abstandsmessung der Mauer bei Freistößen ein Rasierschaum-ähnliches Mittel eingesetzt wird, das sich wie von Zauberhand nach ein paar Minuten auflöst? Apropos Hand: Dass Verteidiger beim Attackieren der Gegner im Strafraum neuerdings ihre Arme hinter dem Körper verstecken, um ja keinen Handelfmeter zu verschulden, ist rein optisch eine merkwürdige Sache, da sie einen unnatürlichen Bewegungsablauf evoziert. Der neueste Trend im Weltfußball, der sich wie dereinst die Radlerhosen unter den Fußballshorts oder die Pflaster auf den Nasen breitmacht, ist das Kommunizieren auf dem Platz hinter vorgehaltener Hand. Kaum eine wichtige Besprechung auf dem Rasen, kaum eine taktische Traineranweisung, die nicht wie in einer frechen Kinderbande gut abgeschirmt von Zunge zu Ohr gereicht wird. Für derlei mag man ja noch Verständnis haben, zumal im Milliardengeschäft Fußball oft Details über Sieg und Niederlage entscheiden können und daher in eines jeden Hinterkopf ein kräftiges Maß Paranoia sitzt - nämlich vor den Lippenlesern, die mit Videokameras und Ferngläsern umgehend der gegnerischen Mannschaft berichten könnten. Das mag im Football - mit seinen Pausen und unendlich vielen Spielzügen - seine Berechtigung haben, weshalb sich jeder Coach meist einen Zettel vor den Mund hält. Aber im Fußball ist das Ganze insofern lächerlich, als die vorgehaltene Hand langsam zur Dauereinrichtung wird. Als etwa jüngst ein Spieler in der deutschen Liga vom Referee einen Strafstoß forderte, schützte er dabei seine Lippen! Vielleicht hat er ihn ja nur nach dem Wetter gefragt - denn Elfer gab’s natürlich keinen. Dann schon lieber die Hände verstecken - am besten hinter dem Rücken.