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Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und Verteidigungsminister Moshe Arens haben für den Ausbau bestehender und die Errichtung neuer israelischer Siedlungen im Westjordanland
grünes Licht erteilt. Der mit Investitionen in Millionenhöhe angekurbelte Bauboom soll bis zu den israelischen Parlamentswahlen am 17. Mai 1999 fertige Tatsachen schaffen, die ein eventueller
Machtwechsel in Jerusalem nicht mehr rückgängig machen kann. Die Verurteilung seiner Siedlungspolitik im Westjordanland durch die UNO-Vollversammlung wird Israel in keiner Weise an der Fortsetzung
der aktuellen Bautätigkeit hindern.
Die israelischen Siedler folgten willig dem Appell von Außenminister Ariel Sharon, "auf jedem Hügel ein neues Dorf" aus dem Boden zu stampfen. Insbesondere in der Umgebung von Nablus sind seit der
jüngsten Entlassung von Verteidigungsminister Yitzhak Mordechai · dessen Zentrumspartei sich kürzlich auch die Tochter des ermordeten israelischen Regierungschefs Yitzhak Rabin, Dalia, angeschlossen
hat · und der Ernennung des neuen Verteidigungsministers Moshe Arens hunderte Traktoren und Planiermaschinen auf den Hügeln in der Nähe bestehender israelischer Siedlungen im Einsatz.
Neue Straßen werden gebaut und asphaltiert, Wohnwagen aufgestellt, Installationen verlegt, Generatoren in Betrieb genommen, Telefonleitungen gezogen und Wassertürme errichtet. Das israelische
Wohnbauministerium veröffentlichte Ausschreibungen für einen sofortigen Bau von 1.050 Wohnungen zu stark reduzierten Preisen, die an neue Siedler vergeben werden. Darüber hinaus expandieren
Siedlungen unter dem Vorwand des natürlichen Bevölkerungszuwachses und Rücksichtnahme auf kinderreiche Familien.
Die Siedler im Westjordanland, die zu den Stützen Netanyahus und seiner rechtsgerichteten Likud-Partei zählen, haben ehrgeizige Pläne, die sie im Eiltempo realisieren wollen. Bis zum Jahresende soll
die israelische Bevölkerung im Westjordanland mehr als 200.000 Personen zählen.
Aus der Sicht der politischen Führer der Siedlungen öffnen die vorgezogenen Parlamentswahlen im Mai ungeahnte Entwicklungspläne und Möglichkeiten zur Nutzung öffentlicher Gelder. Dank des hohen
politischen Stellenwertes der Siedlungspolitik sind im Haushalt 1999 erhebliche Mittel, die auf 275 Millionen Dollar geschätzt werden, für den Ausbau, die Erweiterung und die Festigung des
Siedlungswerks im Westjordanland und im Gaza-Streifen vorgesehen. Das wahre Ausmaß der öffentlichen Zuwendungen ist Geheimsache.
Um Israel notfalls zur Umkehr seiner als Besatzungsmacht ausgeübten Siedlungspolitik zu zwingen, fordert die UNO-Vollversammlung die Vertragsstaaten der Vierten Genfer Konvention zum Schutz der
Zivilbevölkerung in Kriegszeiten auf, am 15. Juli 1999 zu einer Sonderkonferenz in Genf zusammenzutreten. Diese soll Maßnahmen beschließen, um Israel von der Besiedlung besetzter palästinensischer
Gebiete abzuhalten.
In Israel wird argumentiert, daß die Vertragsstaaten der Vierten Genfer Konferenz seit 1949 nicht mehr zusammengetreten sind, obwohl es in diesen 50 Jahren genügend Aggressionskriege und Genozide in
der Welt gegeben hat. Die selektive Anwendung dieser Konvention gegen Israel sei ein Hohn auf die Gerechtigkeit und werde Israel nicht daran hindern, für die Bedürfnisse des natürlichen
Bevölkerungszuwachses in den israelischen Siedlungen in Westjordanland und Gaza-Sreifen zu sorgen.