Zahlreiche Zwischenfälle sorgen für Spannungen zwischen Budapest und Pressburg. | Krisentreffen in Komárno. | Pressburg. "Vielleicht sind sie verlogener und zumindest indirekter als wir, dafür fallen wir viel zu sehr mit der Tür ins Haus", sagt der junge Pendler aus Nové Zámky. "All dieses Getue ist Blödsinn, das sich die Politiker ausdenken", sagt der ältere Pendler aus Rimavská Sobota. "Die", das sind die südlichen Nachbarn der Slowaken, die Ungarn.
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In Pressburg fallen den Menschen eher Anekdoten zu "denen" ein. "Ich kann das nicht gut hören, wenn die den Mund aufmachen, aber es war goldig, dass Oma immer ungarische Diphtonge mit slowakischen Konsonanten verwechselte", sagt eine Lehrerin. Und der Thaibox-Weltmeister, gerade zurück vom Aufbau einer Trainingsstätte in Schweden, sagt: "Es war da oben total lustig mit denen, vor allem weil wir die doch nur als total fleißig kennen". Ein zur ungarischen Minderheit gehörender Literat erlaubt sich diesen Spaß: "Die Slowaken haben zu viele Konsonanten, Sprache muss aber wie Musik klingen. Ich schiebe eben ein paar Vokale ein, um das auszuhalten, und man versteht mich trotzdem."
All das sind Eindrücke in Tagen, wo das offizielle Verhältnis zwischen der Slowakei und Ungarn so gespannt ist wie schon lange nicht. Slowaken und Ungarn haben aneinander vieles auszusetzen, und doch funktioniert das alltägliche Zusammenleben, wenngleich nicht wenigen Slowaken heute sicher schneller ein Vorurteil gegen Ungarn über die Lippen geht als noch vor wenigen Jahren.
Auf politischer Ebene hingegen ist zurzeit kein Raum für Scherze. Am Samstag trafen sich die Regierungschefs der Slowakei und Ungarns, Robert Fico und Ferenc Gyurcsány, im südslowakischen Komárno, um für die Zukunft solch drastische Szenen zu vermeiden, wie sie sich seit Allerheiligen immer wieder abspielen. Am 1. November sollen ungarische Hooligans bei einem Fußballmatch im südslowakischen Dunajská Streda so heftig randaliert haben, dass am Ende nicht weniger als 1000 Polizisten im Einsatz waren.
In Komárno wurde eine Erklärung gegen Extremismus verabschiedet. Seither wetteifern die Ministerpräsidenten darum, wer die Nase im Kampf gegen "Extremisten" vorn hat. Zuletzt punktete Fico, weil das slowakische Kabinett am Mittwoch eine Strafrechtsreform verabschiedete, die am 1. Februar in Kraft treten soll. Polizisten werden dann deutlich härter gegen Extremisten durchgreifen können als bisher. Die Neuerungen sind auch deshalb zu begrüßen, weil die Diskussion über Rechtsextremismus im eigenen Land in der Slowakei noch in den Kinderschuhen steckt.
Gyurcsány hatte zuvor angekündigt, er werde das Innenministerium mit entsprechenden Gesetzesreformen beauftragen, schränkte dies aber zugleich auf den "Rahmen des politisch Machbaren" ein. Immerhin sucht er zurzeit verstärkt den Kontakt zur slowakischen Minderheit im Lande.
"Künstlicher Konflikt"
Nicht wenige Menschen in beiden Ländern glauben, der Konflikt werde nur allzu oft "hochgekocht". Seit dem Treffen am Wochenende ergehen sich Medien in beiden Ländern in genüsslichen, doch wenig hilfreichen Spekulationen, wer denn nun williger sei. Die slowakische Tageszeitung "Pravda" hält Ficos Angebote an Gyurcsány etwa für sehr "ordentlich", den ungarischen Premier hingegen für ein Werkzeug der SMK, der Ungarnpartei in der Slowakei. Dabei steht die SMK traditionell dem heutigen ungarischen Oppositionsführer Viktor Orbán mit seinem bürgerlich orientierten Fidesz viel näher als ausgerechnet Gyurcsány.
Freilich spielt die SMK in dem Konflikt eine gewichtige Rolle. Eine in der Slowakei gängige These lautet, die Spannungen zwischen der Slowakei und Ungarn hätten in gleichem Maße mit der Koalitionsbeteiligung der Slowakischen Nationalpartei von Ján Slota wie mit dem Abdriften der SMK in die Opposition zu tun.
Zu Regierungszeiten von Mikulás Dzurinda stellte die SMK mit Pál Csáky lange den auch für Minderheitenfragen zuständigen Vizepremier. Auf diese Weise konnten sicher viele Streitigkeiten beigelegt werden, ohne jemals an die Öffentlichkeit zu dringen. Der damalige SMK-Vorsitzende Béla Bugár wiederum galt als Mann des Ausgleichs. Csáky folgte Bugár im April 2007 als Parteichef nach und fällt heute vor allem mit Äußerungen auf, die sich durchaus als Bekenntnis zu einer autonomen Südslowakei deuten lassen, zumal er sich auf Slowakisch längst nicht so gut artikuliert wie Bugár. Im übrigen haftet Csáky bis heute an, sich als Vizepremier eigentlich nur für ungarische Belange eingesetzt zu haben. Bugár kündigte vor kurzem an, er werde sich am Ende der Legislaturperiode aus der Politik zurückziehen. Für viele ist das ein Indiz dafür, dass sich die SMK radikalisiert, wenngleich Umfragen unter Wählern darauf hindeuten, dass auch immer mehr Slowaken diese Partei wählen, weil sie als eine der stabilsten im Lande gilt.