)
Vertreter von 74 Ländern bei Gedenkfeier. | Ban Ki-moon für weltweiten Stopp von Atomwaffentests. | Tokio. Wie jedes Jahr ertönte um Punkt 8.15 Uhr die Friedensglocke. Eine Minute lang wurde im Friedenspark von Hiroshima am Freitag um die über 140.000 Opfer des ersten Nuklearangriffs der Welt still getrauert. Nur das Zirpen der Zikaden war zu hören. Dann stiegen eintausend Tauben in den Himmel. | Hiroshima war Kriegserklärung an die UdSSR
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Schulkinder sangen das Lied vom Phönixbaum. Er ist das Symbol für den Wiederaufbau der Stadt, deren Zentrum durch die amerikanische Atombombe völlig zerstört wurde.
Aber in diesem Jahr richteten sich die Blicke mehr nach vorn. Erstmals nahm ein offizieller Vertreter der USA an der Gedenkzeremonie teil. "Für das Wohl künftiger Generationen müssen wir weiter zusammenarbeiten, um eine Welt ohne Atomwaffen zu schaffen", erklärte John Ross, US-Botschafter in Japan, schriftlich. Auch der UN-Generalsekretär sowie Repräsentanten der Nuklearmächte Frankreich und Großbritannien waren erstmals zugegen.
Insgesamt kamen Vertreter von 74 Staaten und damit so viele wie noch. Sie reagierten auf den Vorstoß von US-Präsident Barack Obama vom vergangenen Jahr in Prag, alle Nuklearwaffen abzuschaffen. Vor allem dafür hatte er den Friedensnobelpreis erhalten. Der Einladung nach Hiroshima war er nicht gefolgt. UN-Chef Ban Ki Moon setzte sich in Hiroshima dafür ein, den Vertrag über einen umfassenden Stopp aller Atomversuche 2012 in Kraft zu setzen. "Wir erleben bei den meisten Staaten eine neue Führung", sagte der Koreaner. Dieser Schwung müsse beibehalten werden. Ab 2011 solle der Sicherheitsrat auf Gipfelkonferenzen den Fortgang der Atomabrüstung verfolgen.
Die Anwesenheit der USA stieß in Hiroshima auch auf Kritik. Sie komme zu spät, meinte Haruko Moritaki von der Hiroshima-Allianz gegen Atomwaffen. Das Land würde immer noch Atomwaffen besitzen. Auch die Forderung nach einer offiziellen Entschuldigung wurde laut.
Das US-Außenministerium in Washington hatte die Teilnahme von Botschafter Ross mit dem "Respekt für alle Opfer des Zweiten Weltkriegs" erklärt. Dagegen sprach Gene Tibbets, der Sohn des Piloten, der die Bombe über Hiroshima abgeworfen hatte, von einer "unausgesprochenen Entschuldigung" der US-Regierung. Obama hatte im Januar angekündigt, Hiroshima und Nagasaki als erster US-Präsident zu besuchen. Das könnte im Herbst am Rande des Asien-Pazifik-Gipfels geschehen.
Japans eigener Umgang mit der Atombombe geriet ebenfalls in die Diskussion. Premierminister Naoto Kan versprach, dass sein Land aktiv Abrüstungsvorschläge machen werde. Jedoch lehnte er die Forderung des Bürgermeisters von Hiroshima, Tadatoshi Akiba, ab, auf den atomaren Schutzschirm des Sicherheitspartners USA zu verzichten. Kan bestätigte die bisherige japanische Politik, keine Kernwaffen herzustellen, zu besitzen oder ins Land zu lassen. Dabei blieb aber offen, ob die Regierung den Transport von US-Atomwaffen durch seine Hoheitsgewässer weiterhin erlaubt, wie es seit den 1960er Jahren heimlich praktiziert wurde. Angesichts der Möglichkeit, dass dies weiterhin geschehe, fühle er Empörung, schrieb Literaturnobelpreisträger Kenzaburo Oe in der "New York Times".
Im übrigen Asien wird das Atom-Gedenken argwöhnisch verfolgt. China hatte diesmal keinen Vertreter entsandt. Durch den Fokus auf die Atombombe stilisiere sich Japan als Kriegsopfer, obwohl bei den Eroberungsfeldzügen der Japaner nach China und Südostasien bis zu 17 Millionen Menschen getötet wurden, lautet der Vorwurf. Japanische Kinder wüssten von der Atombombe, aber nichts von den japanischen Kriegsverbrechen.